- HINTERGRUND -
Amazon ist der größte Online-Händler weltweit und Deutschland für das US-Unternehmen der wichtigste Auslandsmarkt. Wie man den Marktplatz für sich als Marke nutzen und vor allem, wie man seine Marke sichtbar machen kann, darüber habe ich mit Kai Berger von der Agentur Heyhome gesprochen. Er berät als offizielle Amazon Fullservice Agentur Unternehmen bei ihrem Auftritt auf diesem Online-Marktplatz.
tischgespraech.de: Herr Berger, bevor wir starten: Was versteht man unter einer Amazon Fullservice Agentur und wie wird man das?
Kai Berger: Wir beschäftigen uns mit den Inhalten der Produktseiten, dem sogenannten Content auf Amazon. Das heißt, wir optimieren die Text- und Bildinhalte der Unternehmen, die uns beauftragt haben, damit Produkte besser gefunden werden können. Zudem organisieren wir auch Werbekampagnen. Das eine fällt unter den Begriff organische Sichtbarkeit, das andere unter bezahlte Sichtbarkeit.
Darüber hinaus beraten wir unsere Kunden bei allen Fragen rund um Amazon, wie z.B. der Erstellung eines Accounts, der Logistik oder der Buchhaltung. Das alles gehört zum Angebot einer Fullservice-Agentur. Um so eine Fullservice-Agentur zu werden, muss man gewisse Kompetenzen oder Kooperationen nachweisen. Amazon prüft, ob wir als Dienstleister das entsprechende Know-how mitbringen, wenn das der Fall ist, darf man sich Amazon Service Partner nennen. Im Amazon-Händler-Backend werden ja auch Dienstleister wie wir angezeigt, damit diejenigen, die diese Plattform nutzen, sich Hilfestellung und Unterstützung im Tagesgeschäft holen können.
tischgespraech.de: Irgendwie ist ja Amazon ein wenig verpönt. Kaum einer gibt zu, dort zu kaufen, Hersteller sind zurückhaltend, weil sie befürchten, dass ihre Produkte preislich verheizt werden. Aber dennoch ist Amazon der größte Online-Händler, auch in Deutschland. Also wird dort doch gekauft. Lassen Sie uns doch ein wenig Licht in das Amazon-Dunkel bringen. Warum sollte ein Hersteller Amazon nutzen und was muss er tun, damit er dort sichtbar wird?
Kai Berger: Ganz einfach: Damit er das Branding selbst bestimmen kann und es nicht einem Händler auf der Plattform überlassen muss. Der andere liefert vielleicht nur unvollständige oder falsche Produktinformationen, ignoriert die CI des Herstellers. Durch den eigenen Auftritt kann der Hersteller das Branding selbst steuern. Außerdem ist Amazon als Marktplatz ein wichtiger Umsatzbringer für die meisten unserer Kunden. Mit Apple verkauft selbst die größte Marke der Welt auf Amazon.
Aber lassen Sie uns von vorne beginnen. Bei Amazon gibt es zum einen das Vendor Programm, das heißt, Amazon kauft beim Hersteller die Ware und verkauft sie weiter. Amazon agiert in dem Fall als Händler, das ist das historisch gewachsene Programm.
Zum anderen gibt es das Seller Programm, das ist der klassische Weg direkt zum Endkunden, also D2C. Das heißt, man nutzt die Amazon Plattform, verkauft dort selbst und zahlt eine Provision an Amazon.
Diese beiden Möglichkeiten gibt es. Unsere Kunden nutzen verschiedene Optionen – einige haben nur den Vendor-Vertrag, weil sie auch nicht die Möglichkeiten haben, das Endkundengeschäft zu steuern. Aber wir haben auch Kunden, die nutzen beides, das sogenannte Hybridmodell.
Wir empfehlen unseren Kunden, wenn sie einen Vertrag neu abschließen, den Seller Account. Damit sind die Verhältnisse klarer, in dem Account kann das Unternehmen seine Preise selbst gestalten, besser kalkulieren. Aber man muss das eben auch organisieren können – dazu gehört Logistik, Rechnungsstellung und vieles andere mehr. Amazon geht auch heute gar nicht mehr so sehr mit den Vendor-Verträgen hausieren, Vendor schrumpft seit drei Quartalen, während das Marktplatz-Geschäft in der gleichen Zeit um 18% gewachsen ist. Beim Seller-Vertrag stellt sich natürlich auch die Frage, ob man als Unternehmen mit seinen Händlern in Konkurrenz tritt.
tischgespraech.de: Nun ist man als Unternehmen auf Amazon und tummelt sich unter zahlreichen anderen Anbietern. Wie wird man da gefunden?
Kai Berger: Zum Thema Sichtbarkeit gibt es folgendes zu sagen: Es hängt von der Qualität des textlichen und der visuelle Contents ab, ob man sichtbar ist. Wie sieht zum Beispiel das Hauptbild aus, das man in den Suchergebnissen sieht? Das kann man spannender machen, indem man Eyecatcher einbaut, auch um die Klickraten zu optimieren. Dann geht es weiter mit der Produktseite: Wenn der Kunde dort landet, dann sollte es ihm möglichst leicht gemacht werden. Die Produkteigenschaften sollten möglichst einfach erklärt werden, am besten über Bilder, damit der Kunde am besten gar keine Texte mehr lesen muss. Denn er hat wenig Zeit, entscheidet schnell, schaut sich Bewertungen, Preise an und kauft dann. Das sind die Kriterien. Wie gut die Darstellung hier ist, das lässt sich an der Conversion-Rate messen.
Werden dazu noch einschlägige Suchbegriffe verwendet, dann rückt das Produkt nach oben. Die richtigen Keywords sind hier der Schlüssel – welche Synonyme gibt es, welche Wortkombinationen, wir bestimmen und recherchieren also das Volumen der Suchbegriffe. Dazu gehören auch Wettbewerbsanalyse, d.h. wir schauen, welcher Wettbewerber macht mit welchen Suchbegriffen welche Umsätze. Diese Ergebnisse verarbeiten wir – angefangen mit dem Titel, den Lang- und den Kurzbeschreibungen. Es ist wichtig, dass man möglichst alle relevanten Suchbegriffe nutzt.
Auch durch Werbestrategien kann man eine gute Produktseite pushen und auf eine obere Position rücken. Wenn man dann noch eine gute Produktseite hat, dann kann man auch organisch nach oben rutschen, weil der Amazon Algorithmus erkennt, dass dieses Produkt gut verkauft wird. Beides zusammen hilft, im Ranking nach oben zu klettern. Unsere Aufgabe ist es unter anderem, beides zu skalieren. Wir stärken das, was geht und fahren das zurück, was nicht geht. Immer mit dem Ziel, mit möglichst geringen Kosten eine möglichst große Reichweite zu generieren.
Es gibt auf Amazon auch noch die Möglichkeit über das Storytelling etwas über die Marke zu sagen. Weiterhin gibt es noch die sogenannten Amazon Markenstores, in denen man keine Einblendungen von anderen Produkten findet und der Kunde sich ausschließlich auf die eigene Marke konzentrieren kann. Wir sprechen mit unseren Kunden und suchen gemeinsam nach der besten Lösung.
tischgespraech.de: Spielt denn das Thema Nachhaltigkeit bei den Suchbegriffen eine Rolle?
Kai Berger: Jein, wir sehen das nicht direkt bei den Suchbegriffen. Aber Amazon nimmt sich schon des Themas an. Dafür gibt es z.B. das Climate Pledge Friendly-Badge. Um das zu erhalten, muss das Unternehmen Zertifizierungen vorweisen wie z.B GOTS für Textilien oder FSC für Holz, um einige zu nennen. Das wird primär von Amazon gesteuert. Auch im Bereich Verpackungen kann der Kunde entscheiden, ob er die umweltfreundlichere Variante will.
tischgespraech.de: Zalando macht es ja bei der Mode, und bietet Secondhand an. Gibt es das bei Amazon auch?
Kai Berger: Es gibt die sogenannten Warehouse Deals, gebraucht fängt bereits bei einer angekratzten Verpackung an. Auch Händler haben die Möglichkeit, gebrauchte Produkte oder solche mit beschädigter Verpackung zu verkaufen.
tischgespraech.de: Häufig heißt es, dass Amazon die Preise kaputt macht. Was sagen Sie dazu?
Kai Berger:Das ist aus unserer Erfahrung ein großer Mythos.Entscheidend ist, wie der Hersteller es im Griff hat. Amazon bietet die Plattform – so Amazon nicht selbst als Händler auftritt - und verdient am jedem Verkauf eine Provision. Hat also großes Interesse daran, die maximale Marge abzuschöpfen. Das Problem sind eher die Teilnehmer, also die Händler auf der Plattform, die Mechanismen eines Marktplatzes bereiten dafür den Weg.
Darum muss man sich als Unternehmen schon im Vorfeld die Frage stellen, wie agiert der Händler, den ich beliefere? Ich kann nur jedem Hersteller raten, sich genau anzuschauen, an wen er liefert. Wenn das jemand ist, der Preise unterbietet, dann Finger weg! Es gibt Tools, mit denen man sich einen Überblick verschaffen kann, wer wie agiert. Ich würde einen neuen Händler fragen, welche Marken er noch führt und dann schauen, wie er diese Marken anbietet. Und mich dann entscheiden. Also genau hingucken, sind diese Online-Händler wirkliche Partner im Sinne der Markenpositionierung.
tischgespraech.de: Gilt die oben genannte Strategie auch für kleine Marken?
Kai Berger: Grundsätzlich gilt das, was ich vorher gesagt habe, natürlich auch für kleine Marken. Diese haben mit der richtigen Strategie die Möglichkeit, die gleiche Mengen an Kunden zu erreichen, wie eine große Marke. Ich kann genau so sichtbar sein, wie die. Das ist die große Chance. Aber auch die Probleme sind dieselben wie bei bei den großen Marken.
tischgespraech.de: Wie können Fachhändler Amazon nutzen, um ihr eigenes Angebot zu pushen?
Kai Berger: Grundsätzlich kann jeder auf Amazon verkaufen. Man muss sich aber die Frage stellen, wie groß der Aufwand ist, wie viel Zeit man dafür einsetzen kann. Und das schränkt es eben ein. Es kostet viel Zeit, man kann es nicht nebenbei machen. Man muss in der Lage sein, es richtig anzupacken.
Was definitiv hilft, das sind einzigartige Produkte, oder man baut eine eigene Marke auf. So kann man sicherstellen, dass man keine Konkurrenz hat.
tischgespraech.de: Sollte man als Startup dann nicht Amazon nutzen?
Kai Berger: Ich würde eine Online-Plattform nutzen und auch mit dem stationären Handel arbeiten – aber halt auch richtig. Dazu gehören natürlich stabile Preise, Online wie auch stationär. Es kann sehr gut beides zusammen funktionieren, vorausgesetzt das Produkt ist marktfähig.
tischgespraech.de: Jetzt bleibt natürlich noch eine moralische Frage: Die Personalpolitik von Amazon gerät ja immer wieder in die Schlagzeilen. Die schlechten Arbeitsbedingungen, die miese Bezahlung. Kann man das einfach so vom Tisch wischen?
Kai Berger: Ich maße mir nicht an, das zu beurteilen, aber meines Wissens zahlt Amazon die Mindestlöhne genauso wie andere Unternehmen. Es ist sicherlich nicht immer perfekt, aber es gibt neben Arbeitsmarktstandards auch Verhaltensrichtlinien von Amazon selbst. Die Subunternehmen, also die Zusteller, tragen da sicher auch eine Verantwortung und dürfen natürlich keine unbezahlten Überstunden erwarten. Es wäre wünschenswert, wenn Verbraucher entscheiden könnten, welchen Zusteller sie wählen. Manche Paketfahrer kommen eher entspannt mit einem Lächeln zur Haustür, andere wirken völlig überarbeitet und gehetzt.
tischgespraech.de: Herr Berger, vielen Dank für das Gespräch!
Über Heyhome:
Heyhome wurde 2011 von Kai Berger gegründet. Der Solinger hat 15 Jahre in der Schneidwarenbranche im Bereich Vertrieb, Marketing und Geschäftsführung gearbeitet. 2011 hat er sich als klassische Vertriebsagentur selbstständig gemacht, damals schon mit einem hohen Online-Anteil. Dieser Bereich ist stark gewachsen. Amazon war dafür sehr wichtig und wurde immer wichtiger. Seit 2016 hat Amazon dann Händlern den Prime-Service angeboten, dadurch wurde der Wettbewerb deutlich intensiver, wurde es viel schwieriger, auf die erste Suchergebnisseite zu kommen. Die intensive Auseinandersetzung mit dieser Thematik war von Erfolg gekrönt und so wurde Heyhome seit 2018 zu einer reinen Amazon-Agentur.
Zu den Kunden gehören Unternehmen wie iSi, Amefa, Küchenprofi und andere. Mit Kai Berger arbeiten sechs Menschen bei Heyhome, die Zahl der Kunden wächst kontinuierlich.