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AutorenbildHartmut Kamphausen

Vom lokalen Einzelhandelsgeschäft zum digitalen Champion

- HINTERGRUND -

 

Die Spielkiste im bayerischen Lam wurde als eines von fünf Einzelhandelsunternehmen als Digitaler Champion im bayerischen Einzelhandel 2021 ausgezeichnet. Für Emmi Kollross, das Herz und die treibende Kraft in der Spielkiste, leistet der Online-Vertrieb einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt des kleinen Familienbetriebs. Die Annahme aber, dass dieser einfach nebenher zu machen sei, weist sie aus der gemachten Erfahrung heraus zurück.


Der Anstoß für die Online-Aktivitäten des kleinen, 1992 gegründeten Spielwaren-Fachgeschäftes kam von einem einkaufenden Touristen, der fragte, warum man nicht auch online verkaufe. Danach entwickelte es sich dynamisch: Den Start machte die Präsenz auf eBay im Jahr 2003, gefolgt von einem eigenen Onlineshop, der 2007 online ging. Dieser entstand aus dem digitalen Baukasten eines Telekommunikationsanbieters, den Emmi Kollross selbst aufsetzte. Im Jahr 2013 kam der Amazon-Marktplatz hinzu. Die dreigleisige Präsenz setzt die Spielkiste nach wie vor um, allerdings mit teils unterschiedlichen Sortimenten. Während bei eBay und Amazon ein breiteres Spektrum von der Babyrassel bis zur Dampfmaschine angeboten wird, konzentriert sich der eigene Shop unter www.spielkiste.com auf hochwertiges Holzspielzeug. „Wir wollen uns mit dem Angebot unter unserem Namen bewusst von den Marktplätzen und anderen Online-Anbietern absetzen“, sagt Emmi Kollross, „und dadurch ein spezialisierter digitaler Fachhändler sein.“


Die Dreigleisigkeit brachte neben dem parallelen Umsatzstandbein auch eines mit sich: viel Arbeit. Und hier kommt Sohn Simon Kollross ins Spiel. Denn um insbesondere in der Vorweihnachtszeit die deutlich höheren Bestellmengen abzuarbeiten, kam es immer wieder zu Wartezeiten beim Etikettieren der Warensendungen, Päckchen und Pakete. Denn nicht allein das Verpacken ist dabei die Aufgabenstellung, auch die korrekte Ausführung des Etiketts inklusive optimalem Porto oder Gebühr für den Paketdienstleister. Dass Emmi Kollross die Größen und Portowerte auswendig beherrschte, machte die Verarbeitung nicht schneller. Denn dabei war man in der Spielkiste auf die Online-Portale der Paketdienste angewiesen. „Wenn ich einige Adressen eingegeben hatte und dann parallel im Geschäft bedienen musste, hat das System mangels Aktivität diese Arbeit wieder zunichte gemacht“, beschreibt Emmi Kollross das zähe Verfahren. Waren die um die 50 Bestellungen pro Tag übers Jahr mit diesem Verfahren gerade noch abzuarbeiten, war man bei den gut 200 Bestellungen und mehr in der Vorweihnachtszeit chancenlos.


Sohn Simon, am Wochenende zurück zu Hause aus seinem Informatik-Studium, reagierte kurz entschlossen mit der Entwicklung einer eigenen Software für die schnellere Etikettierung der zu versendenden Pakete. Entstanden ist daraus die Versandsoftware SimpleSell mit Schnittstellen zu allen gängigen Marktplätzen und Paketdienstleistern, die heute Namensgeberin eines Start-ups, der SimpleSell GmbH, ist. Das junge Unternehmen hat inzwischen zahlreiche Onlinehändler aus ganz Deutschland, darunter auch größere Onliner, mit der Software für die schnelle Versandabwicklung ausgestattet. Die Software ermittelt nicht nur die optimale Versandart für die jeweilige Sendung, sondern liefert auch die Versandbestätigung inklusive Übermittlung der Sendungsnummer und die Datenübertragung zu den Versanddienstleistern. Und sie liefert mehr als 200 Versandetiketten in weniger als zwei Minuten. So lässt sich dann auch eine vorweihnachtliche Bestellsituation meistern. Gepackt werden müssen die Sendungen selbstverständlich nach wie vor. Dafür stehen seit einiger Zeit drei Packtische im Rückraum der Spielkiste in Lam – damit die ganze Familie parallel arbeiten kann.


Optimierung des Versandes ist unerlässlich


Die Optimierung des Versandes ist für Emmi Kollross ein wichtiger Schritt gewesen, in den gegebenen Strukturen das Wachstum der Online-Verkäufe weiter handhaben zu können. Denn die Tendenz, auch hochwertiges Spielzeug online einzukaufen, nimmt ihrer Einschätzung nach kontinuierlich weiter zu. Insbesondere das dünne Händlernetz auf dem Land aber auch die Bequemlichkeit der Kundinnen und Kunden sowie die speziellen Bedingungen in der Pandemie haben zur Zunahme der Nachfrage geführt. „Uns blieb Anfang der 2000er Jahre nichts anderes übrig“, beschreibt sie die Situation, „und wir sind heute froh, schon viel Erfahrung gesammelt zu haben und über einen etablierten Shop zu verfügen“. Es müsse nicht direkt eine eigene Software sein, räumt sie ein, aber Investitionen in die Soft- und Hardware sind genauso notwendig wie die hohe Zeitinvestition, um das Online-Geschäft am Laufen zu halten.


Dazu gehört auch die kontinuierliche Unterstützung der Bekanntheit des eigenen Shops. Und das ist die Aufgabenstellung von Tochter Katharina. Die studierte Medienmanagerin sorgt dafür, dass die Shopkundinnen und -kunden immer wieder mit Informationen versorgt und an den Shop gebunden werden. Das geschieht insbesondere über regelmäßige Newsletter, die auch Rabatte oder Sonderangebote beinhalten. Dadurch können im eigenen Shop immer wieder Käufe von bestehenden Kundinnen und Kunden generiert werden. Das sieht bei den Marktplätzen ganz anders aus. Hier ist die Wiederholungsquote geringer, wie Emmi Kollross berichtet. Und auch die Retourenquote unterscheidet sich bei den unterschiedlichen Kanälen: „Wir liegen bei unserem Shop unter einem Prozent, weil die Produkte hochwertig und bei den Kundinnen und Kunden bekannt sind.“ Dass dies ein großer Vorteil für die Abwicklung ist, braucht nicht weiter betont zu werden.


Bei der Frage nach Empfehlungen für Handelskolleginnen und -kollegen, die noch nicht so viel Erfahrung mit dem E-Commerce gemacht haben, hält sich die engagierte Fachhändlerin zurück. Dafür sei letztendlich jedes Geschäft zu individuell, betont sie. Die ersten Schritte auf Marktplätzen zu gehen, ist aber aus ihrer Sicht ein sinnvoller Ansatz, denn einen eigenen Shop so zu bewerben, dass sich eine zufriedenstellende Resonanz einstellt, koste Geld und noch mehr Zeit. „Überhaupt ist die Meinung, dass ein Onlineshop eine preiswerte Form des Gelderwerbs ist, nicht mehr zutreffend“, sagt Emmi Kollross. Und auch das Konzept ständig rabattierter Preise ist aus ihrer Sicht weniger ein Erfolgsmodell als das hochwertige Nischenangebot. Es braucht also Investitionen und Engagement, um im E-Commerce erfolgreich zu sein – und Digitaler Champion zu werden.


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