- HINTERGRUND -
Alles neu – das gilt auch für das traditionelle Treffen des GPK Handelsverbandes Koch- und Tischkultur. Anstelle einer dreitägigen Bundestagung luden die Kölner zu einem eintägigen Gipfeltreffen ein. Das fand am 23. Juni auf dem Gelände der Messe Frankfurt statt und gab reichlich Gelegenheit zum persönlichen Austausch.
Rund 60 Teilnehmende zählte das Gipfeltreffen, davon 40 % aus dem Handel. Ein Vorteil dieses kleinen Formats war, dass man mit fast jedem ins Gespräch kam, neue Verantwortliche aus Unternehmen persönlich kennenlernen konnte. Und auch die Redebeiträge wie auch die Diskussionsrunden profitierten davon – sie waren von großer Offenheit geprägt. Christian Haeser, Geschäftsführer des Handelsverbandes führte durch die verschiedenen Themen, moderierte und kommentierte.
Der Standort Frankfurt war nicht zufällig gewählt. Zum einen bot er Gelegenheit, die zu diesem Zeitpunkt stattfindende Heimtextil zu besuchen, zum anderen stand auch die Home of Consumer Goods auf der Agenda. Sie wird in wenigen Monaten im Februar 2023 in Frankfurt ihre Tore öffnen. Philip Ferger, Vice President Consumer Good Fairs Messe Frankfurt, stellte das Konzept des Megaevents, der die drei Messen Ambiente, Christmasworld und Creative World erstmals zusammenführt, vor. tischgespraech.de hat darüber bereits berichtet, die Infos dazu finden Sie hier.
Viel spannender war, wie Handel und Industrie dieses neue Konzept sehen und was sie sich von der Messe wünschen. Marlene Berz von Siller & Laar, Maximilian Schreiner von der Max Schreiner GmbH & Co. KG, Nicola Hoffmann von der räder GmbH und Michael Eichinger von der Zwiesel Kristallglas AG äußerten sich dazu auf dem Podium sehr offen. Hoffmann stellte die Frage, ob man es mit einer Messe leisten könne, so viele verschiedene Handelsformen zu bedienen. Auch Marlene Berz sieht die zukünftige Größe der Messe als Problem: „Ziel muss es sein, dass wir effizienter arbeiten können. Wir schätzen es, wenn wir nicht immer neue Wege suchen müssen.“ Denn die neue Veranstaltung wird völlig neu aufgeplant, zwingt alle Besuchenden, sich komplett neu zu orientieren.
Und ihr Mann Michael Berz stellte aus dem Podium die Frage, ob es denn bei der Fülle von ausstellenden Unternehmen – von rund 6000 ist die Rede – möglich sei, alle zu treffen, die relevant seien? Auch Marc Ferdinand von Commes äußerte erhebliche Zweifel. Für ihn sei die Zusammenlegung von Ambiente und Christmasworld kritisch: „Auf der Ambiente waren wir fünf Tage, auf der Christmasworld zwei. Dort haben wir in erster Linie Weihnachtsprodukte angesehen – das ist für uns elementar. Wie sollen wir das in Zukunft zeitlich schaffen?“ Michael Kotters von der Kotters GmbH wünschte sich hingegen von der Messe, dass wieder mehr kleinere Unternehmen vertreten sein sollten. In der Hinsicht konnte Julia Uherek, Vice President Consumer Good Fairs Messe Frankfurt, beruhigen, denn 2023 seien Förderareale geplant, auf denen genau solche Unternehmen sich präsentieren können.
Ein Wunsch eint alle: Die Ambiente soll wieder möglichst alles bieten, so dass andere Messen dann nur noch das Ad on sein sollten. Die während der Pandemie entstandene Vielzahl an kleineren Orderveranstaltungen, Hausmessen und anderen Formaten finden viele der an der Tagung Teilnehmenden als keine dauerhafte Lösung. „Wir können nicht immerzu auf Messen fahren,“ fasste es Manuela Berz zusammen. Maximlian Schreiner sieht das ähnlich, für ihn machen gerade Hausmessen aber durchaus Sinn, wenn diese zum Beispiel in Verbindung mit einem Jubiläum stattfinden. Auch Michael Eichinger von Zwiesel Kristallglas gibt zu Bedenken, ob man denn als Unternehmen die Zugkraft habe, den Handel zu sich zu holen? Er stellt zudem grundsätzlich die Frage, ob es Sinn mache, diese drei Messen zusammenzulegen. „Bleibt dann noch Zeit zu reden?“ Die Hektik auf der Messe werde deutlich zunehmen.
Sein Wunsch an die Frankfurter: Die Messe für Endkonsumierende zu öffnen. Ein Wunsch, der schon seit vielen Jahren immer wieder vorgetragen wird, bei dem aber auch die ausstellenden Unternehmen uneins sind. So lehnt Nicola Hofmann dies für räder ab, auch Jens-Peter Schlingmann von Villeroy & Boch zweifelt den Erfolg eines solchen Tages an: „Ist unsere Branche so sexy, dass Endkonsumierende tatsächlich dafür nach Frankfurt kommen?“ Bei dem Punkt ist sich übrigens der Handel einig – sie alle finden eine Präsenz der Endkonsumierenden auf der Ambiente nicht gut. Julia Uherek kündigt aber an, dass man in Frankfurt darüber nachdenke, in der Innenstadt Frankfurts den Marken Raum zu geben, sich zu präsentieren. Ein Konzept, welches in Mailand zur Möbelmesse übrigens ausgezeichnet funktioniert.
Noch eine Frage, die sich aufgrund der Größe der Home of Consumer Goods stellt: Wie ist denn die Hotellerie in Frankfurt vorbereitet? Ferger weiß, dass die hohen Zimmerpreise ein leidiges Thema sind. In den nächsten Tagen treffe man sich daher mit der Frankfurter Hotel Alliance, in der viele namhafte Frankfurter Hotels zusammengeschlossen sind, um mit ihr Zimmerkontingente zu verhandeln. Zum Redaktionsschluß dieses Newsletters lag noch kein Ergebnis vor. Fazit des ersten Tagungsblocks: Ein spannender und vor allem ein sehr offener Austausch zu diesem Thema – eines ist sicher: Die Home of Consumer Goods wird kritisch gesehen und muss gelingen.
Zweites Thema war die Branchenstudie „Quo vadis, GPK-Fachhandel“. Boris Hedde, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung stellte die Studie in Frankfurt vor (tischgespraech.de hat auch hier schon berichtet, zum Artikel kommen Sie hier) und lud dann alle Teilnehmenden zu einem Workshop ein. Aber der Reihe nach: Inhalt der Studie ist es, was GPK-Fachgeschäfte tun müssen, um wieder der relevante Kaufkanal zu werden. Dafür wurden 1.500 Konsumierende online befragt, sieben Kernbedürfnisse wurden verdichtet formuliert:
1. Meine Wertschätzung für Kochen und Essen drücke ich durch hochwertige GPK-Produkte aus.
2. Meine nachhaltige Lebenseinstellung passt perfekt zu langlebigen GPK-Produkten.
3. Ich bin ständig im Internet unterwegs – und suche hier natürlich auch meine GPK-Produkte.
4. Bei meinem GPK-Kauf erwarte ich erstklassige, freundliche und kompetente Beratung.
5. GPK-Produkte, die im Kontext meiner Lebenswelt präsentiert werden, inspirieren mich zum Kauf.
6. Durch smarte digitale Services schafft der GPK-Fachhandel relevante Mehrwerte für mich.
7. Meine individuellen Kundenbedürfnisse sollten beim GPK-Kauf im Vordergrund stehen.
Vier dieser Kernbedürfnisse waren dann Thema der Workshops „Customer Needs“ (die Punkte 2, 3, 4 und 5), bei denen alle Teilnehmenden ihre Ideen und Vorschläge einbringen konnten. Auffallend war, dass das Thema Digitalisierung und smarte digitale Services zeigt, wie viel Handlungsbedarf noch besteht. Darum konzipiert auch das IFH Köln die Branchenplattform my-leni.com als Lösungsansatz – auf der sollen die Branche und die dazugehörigen Produkte sichtbar werden. Und Hedde fragte in die Runde, ob jemand der Teilnehmenden aus dem Handel ein Testladen werden wolle. tischgespraech.de bleibt an dem Thema dran und wird weiter berichten. Übrigens, die Workshops haben Spaß gemacht, auch hier war offensichtlich, wie sehr alle den Austausch genossen.
Zum Abschluß des Gipfeltreffens gab es dann noch eine Podiumsdiskussion zu den aktuellen Herausforderungen der Branche. Ein Thema dominierte: Der Handel sieht die D2C-Aktivitäten kritisch (auch dazu hat tischgespraech.de bereits berichtet, zum Artikel geht es hier) und fordert die Industrie auf, zu fairen Bedingungen zu agieren – vor allem was die Preisgestaltung im Netz und die Warenverfügbarkeit angeht. Ein inspirierendes Treffen – das sich vielleicht in diesem Format etablieren wird?