- HINTERGRUND -
Was ist im Handel los? tischgespraech.de hat mit Wolfgang Gruschwitz, dem Inhaber der Gruschwitz GmbH gesprochen. Das international tätige Design- und Realisierungsbüro deckt das gesamte architektonische Leistungsspektrum im Bereich Einzelhandel ab. Sei es für die Bereiche Beauty, Fashion, Food, Lifestyle, Services, Shoes oder Sports – das Team rund um Wolfgang Gruschwitz inszeniert marken- und zielgruppengerechte Erlebniswelten mit individuellem Charakter und unverwechselbarem Profil.
tischgespraech.de: Herr Gruschwitz, Sie sprechen mit vielen Vertretern aus dem Handel. Wie erleben Sie denn die aktuelle Stimmung draußen? Und gibt es – außer dem LEH – noch Branchen, die der Lockdown nicht so stark getroffen hat?
Wolfgang Gruschwitz: Der Handel leidet unter einem Frequenzmangel, dazu kommt noch, dass es einfach keinen Bedarf gibt. Die Konsumenten decken sich nur mit dem absolut Notwendigem ein. Wer braucht in Zeiten von Homeoffice ein Business-Outfit? Aber Gottseidank gibt es auch Ausnahmen. Dazu zählen die Küchenausstatter, die Anbieter von Hausrat-Artikeln und allem für die Wohnungseinrichtung, sowie Fahrradhändler, Anbieter von Sportartikeln, Leisurewear, Friseur- und Kosmetikbedarf, Outdoor und Fitness, Videozubehör, Essensbedarf inklusive Kochgeschirr, insbesondere auch Backzubehör. Alles was mit Kontakten zu tun hat, das ist aktuell nicht mehr interessant – wer will ins Fitnessstudio oder ins Schwimmbad? Alles, was man berühren muss und sei es über Touchscreens, ist out.
Küchenhersteller sollten Arbeit ohne Ende haben, da gibt es immensen Nachholbedarf. Auch der Gastronomie geht es besser als erwartet. Das hängt aber auch mit dem Sommer zusammen, dass die Bewirtung im Außenbereich stattfinden kann.
tischgespraech.de: Der Lockdown ist beendet, jetzt heißt es einkaufen mit Maske. Was hat sich sonst noch geändert?
Wolfgang Gruschwitz: Jede Art von Shopping, die mit Verweildauer, mit Emotionalität zu tun hat, die ist tot. Mimik und Gestik sind durch die Maske nicht erkennbar. Im Textilhandel ist es gerade ein Fiasko – die Kunden wollen nur Kleidung probieren, wenn die vorher noch niemand probiert hat, sie also völlig ungetragen ist. Online geht zwar ein wenig was, es wird aber leider noch viele Händler erwischen. Viele werden schließen müssen.
tischgespraech.de: Um das Hygienekonzept umzusetzen, musste der Handel erst einmal investieren. Hat die Umsatzsteuersenkung geholfen oder wurde sie als zusätzlicher bürokratischer Aufwand erlebt?
Wolfgang Gruschwitz: Die Senkung der Umsatzsteuer kann man unserer Erfahrung nach vergessen, wo ist da der Sinn dieser Maßnahme? Es fehlt einfach die Kaufkraft! Im Textilhandel fehlen 80 % der Kunden, in München fehlen vor allem auch die Touristen. Wem es noch ganz ordentlich geht, das sind Anbieter wie Kustermann. Solche und andere Anbieter von Haushaltswaren, oder auch Gartenanbieter, denen geht es noch ganz gut.
Es gibt sehr interessante Angebote gerade im Bereich Abstandregelungen: Zum Beispiel Frequenzzähler und Wärmebildkameras, mit denen lassen sich die Kunden entsprechend tracen. Ein neues Konzept zum Beispiel ist, dass man Armbänder an die Kunden verteilt, mit Hilfe derer der Kunde kontrollieren kann, ob der Abstand eingehalten wird. Mit diesen werden die Wege aufgezeichnet und es gibt eine Warnung, wenn man jemanden zu nahe kommt. Ganz nebenbei ist das noch ein tolles Tool fürs Marketing. Aktuell ist es den Menschen besonders wichtig, sich vor Corona sicher zu fühlen. Natürlich muss man dabei auch immer ein Augenmerk auf den Datenschutz haben.
tischgespraech.de: Wie wird sich ihrer Meinung nach der Handel durch Corona verändern? Wird mehr digital gekauft, oder mehr regional oder gar nicht mehr?Wolfgang Gruschwitz: Ganz klar, online ist angesagt. Händler müssen beides tun – dieses entweder oder ist Nonsense. Es hat sich jetzt gezeigt, wie wichtig online ist. Regional kaufen wird bevorzugt, aber aus einem anderen Grund: Die Menschen wollen nicht raus, sie wollen nicht im öffentlichen Nahverkehr unterwegs sein. Ergo fahren sie mit dem Auto, gehen zu Fuß oder fahren Rad. Logisch, dass man dann wieder mehr in der eigenen Stadt unterwegs ist und nicht zum Einkaufsbummel nach München fährt. Regional ja, aber nicht aufgrund eines veränderten Bewusstseins, sondern aus Angst und Bequemlichkeit. Sie wollen nicht in die Großstadt.
tischgespraech.de: Was empfehlen Sie ihren Kunden – wie sollen diese reagieren, was sollen sie verändern?
Wolfgang Gruschwitz: Natürlich Online, aber dazu noch einen ausgezeichneten Service zu bieten und sehr aktiv in die Kommunikation zu gehen. Sich mit anderen Netzwerken auszutauschen, auf Online-Plattformen vertreten zu sein, um mehr Aufmerksamkeit zu erlangen.Und aktiv zu zeigen, was man mit den Produkten machen kann – zum Beispiel mit den Pfannen. Oder Backen für Kinder anzubieten. Gerade im Bereich Essen und Kochen haben wir ja gesehn, welchen immensen Nachholbedarf die Menschen haben. Ich als Händler würde in die Schulen gehen und gezielt Kinder – meine Kunden von morgen! - ansprechen und ihnen zeigen, wie gut ein hausgemachtes Essen schmecken kann.
tischgespraech.de: Herr Gruschwitz, da stimmen wir zu! Und danke für das Gespräch.