- HINTERGRUND -
Silber, Porzellan, Glas. Bodo Sperlein ist ein Materialfetischist und Detail-Liebhaber. Warum ihn Handwerk und Materialien so begeistern und er als junger Designer in London gleich erfolgreich war, hat Sperlein Claudia Simone Hoff bei einem Gespräch in Berlin erzählt.
Im Dezember war Bodo Sperlein zu Besuch in Schöneberg. Er war in die Potsdamer Straße gekommen, um im Conceptstore von Andreas Murkudis seine Solo-Schau „Layers“ zu eröffnen – mit Arbeiten aus den letzten Jahren. Man konnte dort gleich erkennen, wofür der in London lebende deutsche Designer ein besonderes Faible hat: für Materialien und Dinge, die Platz finden auf dem gedeckten Tisch – fragile Gläser von Lobmeyr beispielsweise, für die er die feine Gravur Moiré entworfen hat. Oder opulente Centerpieces, die in der Silbermanufaktur Jarosinski & Vaugoin von Hand gefertigt werden und deshalb pro Stück einige Tausend Euro kosten. Bei Andreas Murkudis wurde erstmals auch sein neuer Dekor Silhouette für Dibbern vorgestellt. Sperlein hatte zuvor bereits mehrere Dekore für den deutschen Porzellanhersteller entworfen, wobei Black Forest der bisher erfolgreichste ist, wie er sagt. London lockte
Auch wenn Bodo Sperlein Möbel, Leuchten und Textilien für Unternehmen wie Schönbuch, Lobmeyr und Nya Nordiska sowie für sein eigenes Label entwirft, haben es ihm Objekte für den gedeckten Tisch seit jeher besonders angetan – genauer gesagt seit seiner Zeit an der University of the Arts in London. Das Studium des Produktdesigns sei dort sehr kunstaffin gewesen mit einem Fokus auf den Bereich Keramik, erzählt Sperlein. Das habe ihn interessiert, denn er fand das Material im besten Sinne altmodisch. „Ich habe quasi mit Tellern und Tassen angefangen.“ An die Themse war Sperlein ursprünglich gekommen, weil er die Stadt spannend fand und sich „austoben wollte“. Nach einem Vorbereitungskurs bewarb er sich an verschiedenen Design-Universitäten und wurde an der University of the Arts angenommen. Senkrechtstarter
„London war in den Neunzigerjahren eine Stadt, in der sehr viel los war, gerade was das Design betrifft“, erzählt Sperlein. So seien beispielsweise Hersteller und wichtige Protagonisten aus der internationalen Designszene regelmäßig zu den Abschlusspräsentationen der Designstudierenden gekommen. Die Ausstellung ‚New Designers‘ galt damals als wichtige Talentschmiede. Dort wurde auch der junge Deutsche entdeckt, der sich als Abschlussarbeit eine aufwendige Installation mit Möbeln, Leuchten und Keramikobjekten ausgedacht hatte. Sogar die englische Designbibel „Wallpaper“ berichtete damals über ihn, ebenso wie die „Sunday Times“ – ein ziemlich guter und hilfreicher Beginn für eine Designkarriere. Experimentierfeld Porzellan
Mit dem Erfolg seiner Abschlussarbeit im Rücken, verließ sich Sperlein nach dem Studium ganz auf sein Gespür. Er hatte erkannt, dass es eine Nachfrage für gut gestaltete Stücke aus Porzellan gab. „Mich hat interessiert, wie ich den Leuten Porzellan wieder schmackhaft machen und es in Geschirr umsetzen könnte“, sagt Sperlein. „Das Material ist ja historisch sehr bedeutsam und ein wichtiger Werkstoff.“ Zuerst tat er sich mit kleinen Porzellanherstellern in England zusammen und experimentierte mit Gipsformen und Standardtellern. „Ich hatte richtig Glück“, sagt Sperlein und meint damit seine Zusammenarbeit mit dem renommierten Londoner Modeladen Browns South Molton Street, für den er gleich zu Beginn seiner Karriere als Designer eine komplette Home Collection entwickelte – samt Vasen, Schalen und Tellern. Ein Stipendium ermöglichte ihm dann, ein eigenes Studio an der South Bank zu eröffnen, einem Viertel südlich der Themse. Dort arbeitet er heute noch und beschäftigt inzwischen vier Mitarbeitende. Unterwegs in der Welt
Dass Sperlein seit rund 20 Jahren erfolgreich für Dibbern Formen und Dekore entwirft, hat vor allem mit seiner intensiven Beschäftigung mit dem Material Bone China zu tun, für das der deutsche Hersteller bekannt ist. „Zu Beginn hat Dibbern nur Weißware verkauft, dann kam mein Dekor ‚Black Forest‘ auf den Markt, der gleich sehr erfolgreich war, insbesondere in den USA“, erzählt Sperlein. Die Amerikaner gäben überhaupt sehr viel mehr Geld für Tableware aus als die Europäer, ergänzt er. Seinen eigenen Tisch deckt Sperlein nach dem Motto „Mix & Match“. Dafür mischt er munter Stücke vom Flohmarkt mit den Dekoren Black Forest und Golden Forest von Dibbern und ergänzt sie mit Einzelteilen aus der Kollektion Goldline, die er für den japanischen Hersteller Nikko entworfen hat.
Alles Silber, was glänzt
Sperlein liebt es, tief in die Materialgeschichte und -kunde einzutauchen, was man auch an seinen Arbeiten für die Silbermanufakturen Tane aus Mexiko und Jarosinski & Vaugoin aus Österreich sieht. Mit den Wiener Handwerkerinnen und Handwerkern arbeitet er gerade an einem Projekt, das selbst für einen Tableware-Spezialisten wie Sperlein ungewöhnlich komplex ist: Für einen Züricher Kunstsammler entwirft er einen Tafelaufsatz aus Silber mit rund 100 Einzelteilen, darunter Platzteller, Kandelaber und Cocktail-Shaker. „Mein Auftraggeber kannte mich von Ausstellungen und hatte zuvor bereits die Schalen der Kollektion ‚Orlo‘ und das Centerpiece ‚Onda‘ von Jarosinski & Vaugoin gekauft, das man zu verschiedenen Kompositionen umstecken kann“, erzählt der Designer. „Tischkultur ist ja immer auch eine Form der Unterhaltung.“ Sperlein verknüpft mit dem Auftrag aus der Schweiz auch die Hoffnung, dass wieder mehr Geld investiert wird in hochwertige Objekte für den gedeckten Tisch. Er fühle sich wohl in der Luxusnische, sagt er und erklärt auch warum: „Ich möchte Produkte entwerfen, die aus hochwertigen Materialien gefertigt und nicht weggeschmissen werden.“