- HINTERGRUND -
In meinem Newsletter am 7. Februar habe ich berichtet, wie ich die Ambiente empfunden habe (hier geht es zum Artikel). Einer der vielen Menschen, die diesen Artikel gelesen haben, ist Thomas Schmitz, Vertriebsleiter Deutschland/Österreich/Frankreich des niederländischen Unternehmens Sunware BV und Aussteller auf der Ambiente. Er hat mir seinen ganz persönlichen Eindruck geschrieben - den lesen Sie hier:
"Gerne gebe ich Ihnen einmal unsere Erfahrung mit dem neuen Format. Wir haben in Halle 9.2 ausgestellt. Viele unserer Wettbewerber waren nicht mehr als Aussteller dabei, so dass wir davon ausgehen konnten, dass wir sehr viele Kontakte bekommen würden. Das Gegenteil ist der Fall. Wir schließen die Messe dieses Jahr ab mit nicht einmal einem Drittel der bisherigen Leads. Die Tage waren so ruhig, dass ich ein paar Videos machen konnte auf denen im 360°-Rundumblick kein einziger Kunde in den Gängen zu sehen war.
Konzept war doch, alles neu zusammen zu stellen. Unser Eindruck ist: alles wurde halt dort platziert, wo gerade durch Absagen neue Räume entstanden sind. Für die Einkäufer viel zu lange Wege, für die Aussteller viel zu lange Leerlaufzeiten.
Im Einzelnen:
Zufahrtskontrolle mittels QR-Code führte am ersten Messetag zu einem Stau, der in die Geschichte Frankfurts eingehen wird. Man hat das wohl im Laufe der Zeit eingesehen und eben einfach nicht mehr kontrolliert. Als Aussteller hätte ich auch eine Bildzeitung hochhalten können und der Kontrolleur hätte mich damit auf den Parkplatz eingewiesen.
Toiletten: hier vertraute man größtenteils auf die Selbstreinigungskräfte der Natur. Die hat aber leider dort nicht funktioniert, so dass die Toiletten ähnlich wie auf Messen in Chinas Provinzen aussahen.
Catering: Ein Croissant für 3,50 Euro ist sicher kein Schnäppchen. Der restlichen Preise waren auch deutlich über ein einfaches „Unverschämt“ hinaus. Von Qualität muss man dabei sicher nicht sprechen. So weit ich das beobachten konnte, hat das dann eben auch kaum jemand genutzt.
Halle 9.2 im Speziellen: die Halle ist nicht nur renovierungsbedürftig, man sollte sie endlich abreißen. Die Lüftung funktioniert gar nicht. Die Luft in der Halle ist so schlecht, dass ich in fünf Tagen eine ganze Dose Nivea Creme verbraucht habe, um das Schlimmste zu verhindern. Auch mein frisch für die Messe gekaufter Labello ist halb verbraucht. Zwei offene Tore haben dann nach längerer Zeit endlich Frischluft zugeführt, leider halt auch Zugluft, auf die keiner vorbereitet war. Der dritte Messetag musste dann auch mit leichtem Fieber irgendwie gehen.
Beleuchtung: was für eine Beleuchtung? Technischer Stand, Ende der späten 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts, vermutlich gibt es dafür keine Ersatzteile mehr.
Teppichboden: halt wie immer der Einwegteppich, der nach 5 Tagen entsorgt wird. Ist das noch zeitgemäß in einer Zeit, wo alle über Nachhaltigkeit sprechen?
Reinigung in der Halle: grenzwertig. Eine Viertelstunde vor Messebeginn waren noch Staplerspuren auf den Teppichböden, teilweise sogar auf Messeständen zu sehen und überall lagen Müllbeutel herum.
WLAN? Die Messe wird sagen, weil so viele Leute gleichzeitig versucht haben sich einzuwählen, gab es vorübergehend Probleme. Die Wahrheit ist: das hat wieder gar nicht funktioniert und das geht seit Jahren schon so. Wofür bezahlen wir denn eigentlich so viel Geld für einen Messestand?
Rolltreppen und Aufzüge sind gute Hilfsmittel, wenn sie auch funktionieren. Das war leider nicht immer der Fall.
Parken auf dem Dach (Halle 9.4) sehr schlecht ausgeleuchtet, viele Stolperfallen, sinnlose Verkehrsführung bei der Einfahrt. Geht besser!
Ausfahrt: hier standen Paletten mit Stahlteilen so weit in die Fahrbahn, dass es nur an ein Wunder grenzt, das hier nichts Schlimmes passiert ist, und das die ganze Woche über. Dazu die völlig sinnfreie Ausfahrtskontrolle. Warum provoziert man beim Ausfahren einen Stau, indem man kontrolliert ob der Ausfahrende auch wirklich einen Parkausweis hat?
Ob wir nochmal ausstellen werden? Gute Frage! Ob beim nächsten Mal noch weniger Besucher kommen werden? Sehr wahrscheinlich, wenn ich mir ansehe, was dem Besucher hier alles zugemutet wird. Zufrieden wird in 9.2 noch der eine oder andere Aussteller gewesen sein. Auch bei uns waren gute Gespräche, einige neue Kunden. Daraus wird sich sicher etwas entwickeln lassen. In Halle 9.3 wird wohl keiner zufrieden sein, soweit ich das sehen konnte, waren dort noch weniger Besucher als in 9.2.
Ausblick 2024: wenn die Frankfurter Messe weiter an diesem Konzept festhält, werden noch weniger Besucher und Aussteller kommen. Nur die blanke Anzahl der diesjährigen Besucher mag durchaus groß gewesen sein, aber was nützt denn ein Besucher, der nach Weihnachtsartikeln sucht, einem Hersteller für Haushaltsartikel oder wie in unserem Fall Kunststoffboxen. Schon jetzt fehlten viele Fachbesucher, die sonst gerne auf diese Messe gegangen sind. Wenn das noch weniger wird, lohnt sich für uns Hersteller ein solches Format nicht mehr. Wenn weiter am Service gespart wird und Selbstverständlichkeiten nicht erfüllt werden, wird diese Messe die 2030er Jahre nicht mehr erleben. Digitale Formate sind sicher bald so attraktiv, dass dort viele zugreifen und sich den riesigen Aufwand in Frankfurt sparen. Hat man das in Frankfurt im Blick?
Danke im Voraus." Thomas Schmitz Vertriebsleiter Deutschland/Österreich/Frankreich