- HINTERGRUND -
Heute kennt man Koziol als Hersteller von Kunststoffprodukten mit einer hohen Affinität zu Design. Ursprünglich aber kam das Odenwälder Unternehmen aus einer anderen Sparte: Der Elfenbeinschnitzerei. In seiner nun fast 95jährigen Geschichte hat Koziol schon mehrfach eine Metamorphose vollzogen – die jüngste geht in Richtung, wie man das fossile Material nachhaltiger gestalten kann. tischgespraech.de hat mit Inhaber Stephan Koziol gesprochen, und der hat sich, so wie man ihn kennt, sehr offen, sehr direkt geäußert.
tischgespraech.de: Herr Koziol, vom Elfenbeinschnitzer zum Kunststoff-Hersteller. Zwei Materialien, die umstritten sind. Wie begegnen Sie den Menschen, die Kunststoff per se ablehnen?
Stephan Koziol: Ich glaube nicht, dass es auf der Welt einen Menschen gibt, der Kunststoff grundsätzlich ablehnt.Nicht heute und nicht vor vielen, vielen Jahren. Der Nutzen für die Menschheit ist einfach zu groß. Denn wer will schon nackig am Lagerfeuer sitzen.
Ohne Kunststoff gäbe es
- keine Kleidung
- kein Transportwesen
- keine Technik
- keine Pharmazie
- keine Hygiene
Und so etwas ganz Banales, wie eine Lesebrille, könnte man sich dann auch abschminken.
tischgespraech.de: In den vergangenen Jahren ist bei Ihnen viel passiert, zum Beispiel haben Sie intensiv an einem nachhaltigen Kunststoff geforscht. Das Ergebnis ist nun ein biozirkulärer Kunststoff (LINK zum Artikel auf der tischgespraech.de-Website hier). Ist das gesamte Sortiment mittlerweile aus diesem Kunststoff?
Stephan Koziol: Im November feiern wir unser 95-jähriges Jubiläum. Wir sind ein kleines Universum in sich. Wir denken uns Dinge aus. Wir suchen Lösungen. Wir entwickeln, testen, prüfen und veredeln Materialien. Wir produzieren und auf alle Fälle – wir lernen.
Da uns das Thema Nachhaltigkeit hier im wunderbaren Odenwald schon immer ganz besonders am Herzen liegt, ist unsere Forschung im Bereich bio-zirkulärer Kunststoffe sicher keine Überraschung. Unser Stammsortiment ist heute komplett aus bio-zirkulärem Kunststoff hergestellt. Das heißt, das Rohmaterial wurde schon mal irgendwo eingesetzt, z.B. bei der Lebensmittelvorbereitung,
bevor es dann, statt entsorgt zu werden, eben zu unserem Koziol bio-zirkulärem Organic-Material veredelt wurde.
tischgespraech.de: Überzeugt dieser neue Kunststoff auch den ein oder anderen Zweifler, ist die Akzeptanz eine andere?
Stephan Koziol: Es gibt ja kein böses Material, sondern nur Menschen, die damit Böses machen. Ein Stahlverarbeiter kann Kochtöpfe herstellen oder tödliche Waffen, ein Betonunternehmen ein Gefängnis bauen oder eine Brücke über einen reißenden Strom und damit Menschen verbinden. Das gleiche gilt es für den Kunststoff. Es kommt immer darauf an, wie verantwortungsvoll man
damit umgeht und das entscheidende Umweltkriterium ist die Qualität und Langlebigkeit des Produktes – nicht das Material an sich.
tischgespraech.de: Und was ist farblich mit diesem neuen Kunststoff möglich?
Stephan Koziol: Unser Organic Werkstoff ist zertifiziert und auch für Lebensmittelbedarfsgegenstände zugelassen. Bei der Verarbeitung und in der Färbung sind wir noch an keine Grenzen gestoßen.
tischgespraech.de: Nachhaltigkeit hört ja beim Sortiment nicht auf. Was alles tut das Unternehmen Koziol, um insgesamt nachhaltiger zu werden?
Stephan Koziol: Ja, das stimmt. Auch wenn es kaum zu glauben ist. Wir produzieren alles in unserem eigenen Unternehmen in Erbach im Odenwald. Okay, die Verpackungen kaufen wir zu. Aber die Produkte selbst werden hier hergestellt. Und mitten in einem Naturschutzgebiet zu sitzen, mit so einem Unternehmen, kann man sich nur erlauben, wenn man umweltverträglich produziert. Das Unternehmen Koziol und seine Produkte sind seit 2021 CO2-neutral. Rund 70% können wir durch eigene Maßnahmen einsparen, die restlichen 30% kompensieren wir durch Zertifikate.
tischgespraech.de: Thema Design – auch in dem Bereich tut sich Koziol immer wieder hervor. Woher bekommt Ihr Team die Ideen für neue Designs, für neue Produkte?
Stephan Koziol: Gutes Design mit gutem Gewissen. Seit Jahrzehnten verfolgen wir diesen Wahlspruch. Über das gute Gewissen haben wir ja schon geredet und das gute Design ist in unserer DNA verankert. Wir arbeiten mit vielen internationalen Designern zusammen und haben unser eigenes Designteam im Haus. Der Anspruch an die Gestaltung eines Koziol Produktes ist es immer, dass es auch nach Jahrzehnten noch Freude macht und im Idealfall mit der Zeit ein ikonografisches Produkt wird, wie uns das z.B. mit unserer Etagere Babell oder unserer Tasche und zuletzt mit unserem Klikk Besteck gelungen ist.
tischgespraech.de: Wir haben aktuell schwierige Zeiten – was sind für Sie die größten Herausforderungen und wie meistern Sie diese?
Stephan Koziol: Wir haben zwei Weltwirtschaftskrisen und einen Weltkrieg überlebt. Aber die jetzigen Herausforderungen und die, die wir noch bekommen werden, sind lebensbedrohend. Das
Entscheidende ist die Gemeinschaft unserer Mitarbeiter. Wir alle arbeiten zusammen daran,
Lösungen für die schwierige Situation zu finden. Das ist uns in der Vergangenheit gut gelungen.
Darauf bauen wir auch in Zukunft. Aktuell heißt das - Fokussierung auf die zentralen Stärken des Unternehmens. Wir wollen vergnügt und erfolgreich die Zukunft gestalten.
tischgespraech.de: Wenn Sie drei Wünsche frei hätten – an wen auch immer. Wie würden diese aussehen?
Stephan Koziol: Ui, das ist schwierig. Ganz aktuell: Wünsche ich mir, dass die Ukraine den Krieg gewinnt, dass wir mit unseren russischen Freunden bald wieder gemeinsam feiern können und dass die Menschen weltweit ihre persönliche Freiheit nicht verlieren bzw. wiedererlangen.
tischgespraech.de: Herr Koziol, vielen Dank für das Gespräch!