- HINTERGRUND -
Einen Nachfolger für das Unternehmen zu finden, das ist das eine. Die Nachfolge dann aber so zu gestalten, dass sie auch gelingt, das ist das andere. Wie das gehen kann, das zeigt Philippi. Seit 1. Januar 2023 ist Jonas Philippi, der Neffe des Firmengründers Jan Philippi als Geschäftsführer mit an Bord. Ich habe mit ihm gesprochen.
tischgespraech.de: Herr Philippi, seit 1. Januar 2023 sind Sie bei Philippi Geschäftsführer und führen mit Ihrem Onkel Jan Philippi das Unternehmen. Seite an Seite hieß es in der Pressemeldung damals. Wie kam es dazu und wie gelingt das?
Jonas Philippi: Es funktioniert sehr, sehr gut. Die ersten beiden Jahre waren zum Einarbeiten, um alles kennenzulernen. Auf der Basis haben wir uns dann überlegt, wer möchte denn was machen und haben das dann dementsprechend aufgeteilt. Jeder hat seinen eigenen Bereich, für den er verantwortlich ist. Das heißt aber nicht, dass Jan sich nicht in meine Bereiche einmischt und ich mich nicht in seine. Das Ganze findet im Dialog statt, wir tauschen uns regelmäßig und intensiv aus.
tischgespraech.de: Sie sind seit 2020 im Unternehmen und heute 26 Jahre alt – hat es geholfen, dass Sie, bevor Sie Geschäftsführer wurden, sich schon einmal alles ansehen konnten?
Jonas Philippi: Schon als Kind habe ich immer wieder in der Firma und im Lager ausgeholfen, das waren die ersten Berührungspunkte. Es hat mir immer Spaß gemacht, bereits damals fand ich das Unternehmen ganz toll. Später habe ich dann in Hamburg eine Ausbildung in einem Handelsunternehmen absolviert, das war ein ganz anderer Bereich. In diesem Unternehmen hätte ich weiter arbeiten können, aber weil ich damals erst 20 war, haben ich mich entschieden, noch ein Studium zu machen. Ich habe dann noch in Münster BWL studiert. In den Semesterferien habe ich dann bei Philippi Praktika gemacht – jedes Mal in einem anderen Bereich.
Bereits damals haben wir schon ausgelotet: Können wir miteinander? Können wir es uns vorstellen, zusammen zu arbeiten? Wir kennen uns zwar schon ein Leben lang, haben aber vor allem Familienfeiern miteinander verbracht und noch nie mehrere Wochen am Stück miteinander. Das ist noch mal was ganz anderes. So konnten wir sehen, ob uns das taugt. Ich war dann auch bei Messen mit dabei, die sind ja sehr wichtig für den Vertrieb. Dort habe ich dann auch die Kunden und natürlich die Produkte kennengelernt. Man versteht dann schon mehr vom Vertrieb, der ja einen wichtigen Bereich ausmacht. So haben wir uns kennengelernt. Und gemerkt, ja, das kann gehen. Es geht ja immer ganz viel ums Bauchgefühl. Mein Studium habe ich übrigens mit dem Bachelor abgeschlossen, mir waren zwei Jahre Berufserfahrung mit meinem Onkel wichtiger als der Master.
Ich kannte die Firma ja vorher nur von außen, durch dieses Anschnuppern, sich die Zeit nehmen, alles kennenzulernen, konnte ich mir in Ruhe überlegen, ob ich das auch mein ganzes Leben machen möchte. Das ist ja hier nichts kurzfristiges, sondern eine langfristige Entscheidung.
Im Oktober 2020 habe ich dann bei Philippi im nationalen Vertrieb angefangen, also mitten in der Pandemie. Wir hatten da richtig viel Arbeit, weil wir gemerkt haben: Die Menschen machen es sich zu Hause schön, davon können wir auch profitieren. Das war ein toller Start, weil sich gerade viel verändert hat, und ich viel mitgestalten konnte.
Ich bin meinem Onkel übrigens sehr dankbar, er bietet mir wirklich eine große und tolle Chance, vor allem für eine Person in meinem Alter. Auch für mich ist das eine große Sache, sich an dem Unternehmen zu beteiligen und diese Rolle einzunehmen.Ich musste mir ja auch darüber klar werden, ob ich das mein ganzes Leben lang machen möchte. Jan hilft mir wirklich sehr, auch weil er sich durch meinen Einstieg und die damit verbundene Entlastung mehr Freiheiten nehmen kann.
Auch weil ich den ein oder anderen Bereich übernehmen konnte, den er vorher noch betreut hat.
tischgespraech.de: Sie haben Ihre Aufgabenbereiche klar getrennt. So sind Sie für Vertrieb, Logistik, IT, Buchhaltung, Personal und Messen zuständig. Was sind aktuell die größten Herausforderungen?
Jonas Philippi: Zumjetzigen Zeitpunkt ist der Vertrieb die größte Baustelle. Der Krieg in der Ukraine, die hohe Inflationsrate – all das führt dazu, dass die Menschen weniger konsumieren, ihr Geld zusammen halten. Das alles wirkt sich negativ auf unser Geschäft aus. Diese Entwicklung haben wir schon 2022 gespürt. Zu unserer Überraschung sind wir in 2023 sehr positiv gestartet: Die TrendSet, die Nordstil und die Ambiente waren sehr erfolgreich, der Januar und der Februar noch sehr gut. Danach wurde es sehr ruhig, auch auf den europäischen Märkten. Dafür haben wir jetzt mehr Zeit, um zum Beispiel unsere Kunden zu besuchen, um neue Kunden zu suchen.
So fahren wir jetzt auch selbst los zu unseren Händlern, vor allem hier in Hamburg, reden mit ihnen, fragen, wo der Bedarf liegt. Das schöne ist das direkte Feedback. Das macht großen Spaß, das bringt uns ganz viel, vor allem für die Produktentwicklung. Wir merken bei den Gesprächen im Handel, dass eine gewisse Unsicherheit da ist. Es ist viel Ware am Lager, daher kaufen die Kunden weniger. Trotzdem interessiert sich der Handel für neue Produkte, nimmt sich die Zeit für uns. Das ist der große Unterschied zur Messe: Dort können wir zwar mehr Produkte zeigen, aber der Kunde hat weniger Zeit.
Was noch eine Herausforderung ist: Die Menschen holen jetzt das nach, was während der Pandemie nicht möglich war. Sie reisen, gehen Essen. Dahin fließt jetzt das Geld. Das erschwert natürlich unser Geschäft. Was uns auch noch fordert, ist, vernünftige Mitarbeiter zu finden. Der Arbeitsmarkt hat sich sehr verändert. Während Corona war es schwierig für viele Arbeitnehmer, überhaupt einen Job zu finden. Mit dem Ergebnis, dass viele eine Ausbildung, ein Studium aufgenommen haben oder sich für etwas anderes entschieden haben. Wir als Arbeitgeber müssen echt was bieten. Aber man findet Personal und auch echt gutes, diese Erfahrung haben wir gemacht. Und da hat Philippi einen echten Vorteil gegenüber anderen Branchen: Wir können mit einem schönen Produkt arbeiten.
tischgespraech.de: Welche Ziele haben Sie sich zusammen mit Jan Philippi gesetzt? Was wollen Sie gemeinsam für das Unternehmen noch erreichen?
Jonas Philippi: Unser Hauptziel ist es, die Markenbekanntheit in Deutschland und in der Welt zu stärken. Unser Exportanteil liegt übrigens bei 35 %. Davon profitiert die Marke, wenn wir bekannter werden. Ein weiteres Ziel: Wir möchten Produkte entwickeln, die in den Menschen Emotionen auslösen. Und genau mit diesen Produkten müssen wir im Markt sichtbar sein, damit wir genau diese Emotion (die auch unser eigener Antrieb sind) auslösen. Das wollen wir erreichen, in dem wir versuchen, im Einzelhandel breit aufgestellt zu sein, in verschieden Segmenten sichtbar zu sein. Uns ist auch wichtig, dass unsere Händler gerne Philippi verkaufen. Dazu muss natürlich die Marge passen, aber auch die persönliche Beziehung zum Kunden ist wichtig.
Diese Kommunikation ist nicht ganz easy, auf dem Weg zum Kunden geht ja viel verloren: Wir entwickeln ein Produkt, der Außendienst geht damit in den Handel, der Handel verkauft das Produkt an den Kunden und der verschenkt es dann vielleicht noch weiter. Auf diesem Weg geht ganz viel Kommunikation verloren, vor allem das direkte Feedback vom Kunden fehlt. Wir möchten, dass unser Kunde Infos über das Produkt hat, das er da zu Hause stehen hat, aber auch für uns ist es sehr wichtig, Kundenfeedback zu bekommen. Es ist nicht so einfach, daszu erhalten.
Im Online-Handel ist das deutlich einfacher. Unser Bereich D2C ist noch sehr klein, ganz einfach, weil er logistisch sehr aufwendig ist. Wir haben aber da keine Berührungsängste, weil wir der Meinung sind, jeder, der Philippi-Produkte kaufen will, aber nicht die Möglichkeit hat, in ein nahe gelegenes Geschäft zu fahren, der soll Online kaufen.
Auch die Online-Händler sind nicht unwichtig, da gibt es viele Partner, die uns dabei helfen, als Marke sichtbarer zu werden. Auch der Katalog, die Presse und Social Media wie Facebook und Instagram tragen ihren Teil dazu bei. Bei all dem müssen wir darauf achten, authentisch zu bleiben.
tischgespraech.de: Ganz ehrlich: Läuft das Miteinander mit Ihrem Onkel immer harmonisch oder kracht es auch einmal? Bzw. wie gehen sie beide mit Konflikten um?
Jonas Philippi: Wir haben uns noch nie gestritten, es hat bis jetzt immer Spaß gemacht. Bis jetzt bin ich jeden Morgen sehr gerne ins Büro gefahren. Wir verbringen ja nicht nur im Büro Zeit miteinander, wir sind auch zusammen auf dem Segelboot oder auf Sylt. Wir verbringen wirklich gerne Zeit miteinander. Auch meine Eltern (Jonas Vater ist der jüngste Bruder von Jan Philippi, die Redaktion) freuen sich und sind ein wenig stolz, dass wir beide nach wie vor an der Idee festhalten. Und die auch weiter umsetzen. Bis jetzt gibt es tatsächlich keine Streitsituation, darüber bin ich sehr glücklich, weil ich weiß, dass das nicht selbstverständlich ist.
tischgespraech.de: Es liegt in der Natur der Sache, dass Menschen Dinge und Abläufe anders sehen. Wie ist das in Ihrem Fall: Was verändern Sie gerade?
Jonas Philippi: Da gibt es sicher viele in meinem Alter, die in ein Unternehmen kommen und sofort was ändern wollen. Ich habe einen anderen Ansatz. Ich komme in ein Unternehmen, in dem vieles etabliert ist und gut funktioniert. Der erste Schritt für mich ist daher: Abläufe kennenlernen, verstehen und viel lernen. Nachdem man sich ein gutes Bild von dem Unternehmen gemacht hat, sollte man sich die einzelnen Prozesse anschauen: Sind die gut so, sind sie effizient? Dann kann man daran gehen, das zu optimieren, was nicht so läuft. Ich habe im Bereich Digitalisierung was geändert, die Buchhaltung digitalisiert, und ein paar Prozesse optimiert. Das schafft neue Strukturen und das Unternehmen wird schlanker. Dadurch werden Ressourcen für anderes frei. Mit diesen Prozessen wird man natürlich nie fertig, das ist auch klar.
Auf diesem Weg befinde ich mich gerade: Erst einmal das Unternehmen verstehen, und das, was schon gut funktioniert oder vielleicht weniger gut funktioniert, zu optimieren. Man darf ja auch nicht vergessen, dass ich hier in ein Unternehmen komme, das seit viel Jahren erfolgreich besteht – es wäre demnach der komplett falsche Ansatz hier alles zu verändern. Diese Notwendigkeit besteht gar nicht. Wenn ich das anders machen würde, dann wäre sicher das harmonische Miteinander mit Jan gefährdet. Auch für das Miteinander mit den Mitarbeitern ist dieses Vorgehen hilfreich.
tischgespraech.de: Können Sie Ihren Onkel um Rat fragen? Oder umgekehrt: Fragt er Sie auch manchmal nach Ihrer Meinung?
Jonas Philippi: Jederzeit. Seine Tür steht immer offen. Auch in den Bereichen, die ich verantworte, kann ich noch ganz viel von ihm lernen. Und ich brauche seinen Rat. Er selbst fragt mich manchmal nach meiner Meinung, gerade wenn es um Produkte geht. Dann diskutieren wir über die Produkte. Wenn es um personelle Entscheidungen geht, tauschen wir uns ebenfalls aus. Auch weil wir da andere Sichtweisen haben. Generell tauschen wir uns viel aus.
tischgespraech.de: Welchen Tipp haben Sie für andere Unternehmen, bei denen ebenfalls ein Generationswechsel ansteht?
Jonas Philippi: Für die ältere Generation, die jemanden reinholt: Zu versuchen, eine harmonische Mischung aus Einbringen und Zulassen, aus Einmischen und Raushalten zu schaffen. Für die jüngere Generation, die reinkommt: Erst einmal in Ruhe versuchen das Unternehmen und den Markt zu verstehen, bevor man alles verändert.
tischgespraech.de: Herr Philippi, welches ist denn Ihr Lieblingsprodukt?
Jonas Philippi: Das ist die Cocoon-Schale, sie ist ganz natürlich puristisch, zeitlos und für alles benutzbar. Ein ganz typischer Philippi-Artikel. Wenn ich mir alte Kataloge und Produkte ansehe, die bereits seit vielen Jahren im Sortiment sind, dann finde ich ehrlich gesagt, dass man eine ganz klare Linie und Handschrift seit Tag 1 sieht. Man sieht, dass Jan hinter jedem Produkt steht. Das finde ich für ein Unternehmen sehr wichtig.
tischgespraech.de: Herr Philippi, danke für die offenen Worte!