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AutorenbildChristine Dicker

Digital fit werden mit dem Know-how der Retail Garage

Aktualisiert: 9. Jan.

- HINTERGRUND -

 

Kennen Sie die Retail Garage? Mit diesem Projekt in Berlin bieten der Handelsverband Deutschland e.V. (HDE), das EHI Retail Institute und das Mittelstand-Digital Zentrum Handel einen Treffpunkt für fachlichen und praxisnahen Austausch zu zukunftsweisenden Handelstechnologien. Der Showroom vermittelt Wissen, ermöglicht Dialog und zeigt Lösungen für den digitalen Handel. Die Retail Garage leistet aber noch viel mehr. Frank Rehme leitet als Geschäftsführer inhaltlich das Mittelstand Digital Zentrum Handel und hat mir erzählt, wie Händler die Angebote der Retail Garage nutzen können.


Frank Rehme leitet als Geschäftsführer inhaltlich das Mittelstand Digital Zentrum Handel.

tischgespraech.de: Herr Rehme, Fachhändler klagen – wie wahrscheinlich alle Arbeitgeber – über fehlendes Personal. Sie denken darüber nach, wie sie mit Hilfe der Digitalisierung diese Engpässe auffangen können oder wollen ihre Prozesse schlanker machen. Was sagen Sie so einem klassischen mittelständischen Händler? Was kann er tun?

Frank Rehme: Als erstes sollte man schauen, was man im Bereich der Backstore-Prozesse machen kann, also alles das, was im administrativen Bereich passiert. Da ist in erster Linie natürlich alles, was mit der Buchführung zu tun hat. Mein Tipp an dieser Stelle: Ziel sollte ein papierloses Büro, ein digitales Dokumentenmanagement sein. Das lässt sich schnell einführen, ist einfach und reduziert die Suchzeiten enorm. Auch im Marketingbereich gibt es heute viele Tools, die Arbeit reduzieren und die die Sichtbarkeit nach außen erleichtern. Es ist ja unstrittig, dass wir heute alle gerade um die Sichtbarkeit kämpfen. Bevor der Kunde einen Euro bei mir lässt, muss er mich ja erst einmal sehen. Und dazu muss man in Social Media richtig präsent sein. Da gibt es mittlerweile Tools, die einem das Posten auf Facebook, Instagram usw. vollständig abnehmen und die Arbeit von selbst erledigen. Die sind zum Teil wirklich sehr einfach, sehr preiswert. Wie zum Beispiel das Startup MapAds. Solche Anwendungen reduzieren die Arbeit enorm. Mit diesem und anderen Tools haben wir sehr gute Erfahrungen in Projekten gemacht.


In der Retail Garage in Berlin kann man digitale Tools testen.

Dann muss man sich natürlich auch Gedanken machen, wie die Prozesse im Store entsprechend erleichtert werden können. Da geht es darum, Kassenprozesse schneller zu machen, damit ich mit weniger Kassen auskomme. Sprich, das Bezahlen muss möglichst einfach sein.


Dann kann ich die Kassenprozesse beschleunigen, das heißt, ich verwende kein Kassensystem, welches mit einem normalen PC funktioniert, bei dem ich eine Tastatur habe, mit der ich erst einmal ganz schwierig die Eingaben machen muss. Stattdessen bietet sich eine Kasse auf Tablet-Basis an, mit der ich die Kundinnenen und Kunden beim Checkout viel einfacher und schneller abarbeiten kann.


tischgespraech.de: Ich höre immer wieder von Händlern, dass sie überlegen, Transaktionen mit Bargeld weitestgehend zu reduzieren. Auf der andere Seite gibt es auch noch viele Händler, die ihre Rechnung mit der Hand schreiben. Wie sehen Sie das Thema bargeldloses Bezahlen?

Frank Rehme: Ja, es gibt immer noch genug Händlerinnen und Händler, die glauben, dass man genug Ware da haben muss, dann kaufen die Leute schon. Warendruck erzeugt Umsatz – das sind Glaubenssätze aus den 70er Jahren. Ich halte das heute für nicht mehr zeitgemäß. Die Kundinnenen und Kunden von heute haben eine Konditionierung, die sie von anderen Formaten kennen und diese Konditionierung bringen sie mit in den Laden. Und da geht es natürlich auch darum, dass Kassenprozesse schlank und schnell sein müssen. Denn das Bezahlen hat ja mit dem eigentlichen Retail nichts zu tun. Das sind Dinge, die muss man machen, sie haben aber mit der Kundenaktivierung nichts zu tun. Kundinnenen schätzen das gar nicht, wenn man einen langsamen Kassenprozess hat.


Noch etwas zum Thema Digitalisierung: Wenn ich zusätzlich zum stationärem Geschäft über einen Onlineshop verfüge, dann muss ich zu jeder Zeit einen Überblick über meinen Warenbestand haben. Und da sind wir beim Warenwirtschaftssystem, das auch wirklich eine Bestandsführung hat, die auch wirklich stimmt.


Ein Anziehungspunkt im Eingangsbereich der Retail Garage ist diese Installation mi einem Roboter.

Und wenn ich Personal finden will, dann schalte ich nicht eine Anzeige in der Zeitung oder mache irgendetwas mit den klassischen Jobbörsen, die man so kennt, sondern ich lasse mir wirklich etwas Kreatives einfallen: Da gibt es beispielsweise die JOLA -App, die ist von Händlern für Händlererstellt, von den „Schwesternherzen“. Diese App ist zum Rekruiten gemacht und funktioniert wirklich richtig gut.


tischgespraech.de: Jetzt komme ich noch einmal auf das Thema Kassen zurück. Sind Kassen zum Selbstauschecken auch für kleinere Händler interessant? Mit welchen Investitionen muss ich als Händler rechnen? Wie muss ich meine Artikel kennzeichnen, um solche Kassen einzusetzen? Und wie kontrolliere ich, ob auch alles bezahlt wurde?

Frank Rehme: Für diese klassischen inhabergeführten Formate mit einem Laden würde ich Kassen zum Selbstauschecken nicht empfehlen. Von den Kundinnen und Kunden wird das eher immer so wahrgenommen, dass man Personal einsparen möchte. Da sind dann plötzlich alle sehr sozial – ich habe früher bei der Metro den Innovationsbereich geleitet, wir haben Future-Stores gemacht und als wir die ersten Selbstzahler-Kassen eingerichtet haben, da haben wir böse Briefe erhalten. So nach dem Motto, ihr wollt ja nur Personal einsparen. Kassen zum Selbstauschecken sollte man meiner Meinung nach den Großen, die die Fast Moving Consumer Goods verkaufen, wo man einen schnellen Durchsatz hat, überlassen. Aber bei den Kleinen würde ich das nicht empfehlen – so sehr ich auch diese Technik begrüße.


tischgespraech.de: Bargeldloses Bezahlen war in der Pandemie auf dem Vormarsch. Wie sieht es heute damit aus?

Frank Rehme: Gelernt durch Corona sind mittlerweile knapp 60 % aller Bezahlvorgänge bargeldlos. Mit 40 % ist der Anteil an Bargeld aber immer noch sehr hoch – Deutschland und Österreich sind hier in Europa immer noch an der Spitze, leider. In skandinavischen Ländern gibt es den Prozess der Bargeldbezahlung gar nicht mehr. Wenn ich dort mit Bargeld zahlen möchte, dann sind die Menschen in den Läden ratlos. Da sind wir hier noch ein wenig rückständig, das hat mit den Sicherheitsbedenken der Deutschen zu tun. Viele reden ja davon, dass dann verfolgbar ist, wo sie einkaufen. Oder dass man mit Bargeld einen besseren Überblick über seine Ausgaben hat.


tischgespraech.de: Was empfehlen Sie den Händlern? Einfach mal starten mit dem bargeldlosen Bezahlen? Das in den Vordergrund stellen beim Bezahlprozess?

Frank Rehme: Die Händlerinnen und Händler sollten sich weniger Gedanken machen über Bargeld oder nicht Bargeld, sondern vielmehr darüber, wie sie ein zeitgemäßes Retailformat auf die Beine stellen können, welches die Menschen auch wirklich begeistert. Unser Problem ist ja nicht, dass die Menschen jetzt alle im Internet kaufen und wir in den Innenstädten unsere Läden zu machen müssen, das stimmt ja nicht. Wir haben nur 17 % E-Commerce-Anteil am Handel, 83 % werden immer noch im stationären Handel gemacht. Wenn wir dann Leerstände haben, dann liegt es auch daran, dass wir teilweise Retailformate haben, die keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Die einfach langweilig sind, wir müssen vielmehr an attraktiven Formaten arbeiten. Denn unser Problem ist, dass wir in volle Schränke und volle Regale verkaufen. Weil wir in der Bedürfnispyramide mittlerweile so weit oben sind, dass wir all das gar nicht mehr brauchen. Wir müssen viel, viel mehr die Story mitliefern, warum die Leute noch kaufen sollten. Und dazu gehört einfach das Erlebnis am Point of Sale, ein zielgruppendefiniertes Angebot und eine sauber bestimmte Zielgruppe. Und damit tun sich die meisten wirklich schwer.


tischgespraech.de: Wie kann die Retail Garage da dem Handel Unterstützung bieten? Und wie kann sie dem Handel helfen, so ein zeitgemäßes Retail-Format zu erreichen?

Frank Rehme: Die Retail Garage ist unter anderem ein Format des Mittelstand-Digital Zentrums Handel und das Zentrum Handel coacht auch die Händlerinnen und Händler. Über unsere Website hat man einen Einblick in alle Angebote. Die kann ich nur empfehlen, da gibt es einige 100 Webinare, Videos, Downloadmaterial und alles mögliche zu verschiedensten Themen. Und wenn man nichts findet, dann kann man auf der Website sogar noch eine Unternehmenssprechstunde vereinbaren, in der man sich individuell ein paar Fragestellungen beantworten lassen kann.


tischgespraech.de: Sind die Webinare und die Unternehmenssprechstunde für den Handel mit Kosten verbunden?

Frank Rehme: Nein, das ist alles kostenfrei.


tischgespraech.de: Müssten Ihnen die Leute da nicht die Bude einrennen?

Frank Rehme: Während Corona ja, da hatten alle Zeit, da waren in den Webinaren teilweise 300 bis 400 Leute, jetzt sind wir bei einigen Themen froh, wenn wir 40 bis 50 haben. Das finden wir schade. Es ist ja immer einfacher, nichts zu tun und sich in einer Opferrolle zu bewegen: Das böse Internet, der böse Amazon – dann braucht man nichts machen. Ich bin da radikal anderer Hinsicht, weil ich sehe, dass Händlerinnen und Händler, die hier richtig gut unterwegs sind, auch großen Erfolg haben. Die haben dann oft ein ganz anderes Problem: Nämlich ihr Wachstum zu managen. Die brauchen die richtigen Leute dafür mit dem richtigen Mindset und die wachsen halt nicht auf dem Baum. Gemeinsam mit zwei weiteren Gründerinnen betreibe ich auch den Blog Zukunft des Einkaufens.de – den kann ich nur empfehlen. Dort gibt es auch einen Podcast mit mittlerweile mehr als 170 Folgen, der deckt sehr viele Handelsthemen ab. Der Blog selbst hat bereits über 1200 Artikel.


tischgespraech.de: Was kann der Handel tun, um nach vorne zu kommen?

Frank Rehme: Die Retail Garage ist in erster Linie ein Kommuikations- und Erlebnisort für digitale Technologien am PoS, immer wieder wechselnd. Und dieses ganze Thema Treffen, Konferenzen machen, Workshops machen ist sehr stark ausgelegt auf Kollaboration. Menschen zusammenbringen, zu Themen, die wir gerade alle hier besprochen haben. Die kann man ja wunderbar in so einem Workshop unterbringen.


tischgespraech.de: Können Sie mir ein paar Beispiele von Händlern geben, die ihre Sache richtig gut machen? Sie sitzen in Düsseldorf – wen können Sie mir da nennen?

Frank Rehme: In Ratingen kann ich „Fräulein Mode und Wohnen“ (https://fraeulein-libner.de/filialen/ratingen/) empfehlen und aboslut spitze ist auch „LeMoos“ (https://duesseldorf.lemoos.de) – Lena Moos, die hat einen Brautladen. So einen Auftritt haben Sie noch nicht erlebt. Toller PoS, vollkommen vertikalisiert, mit einem Online-Konfigurator, sie lässt in China nach eigenen Entwürfen produzieren – das ist richtig gut, davon kann man sich ein Stück abgucken.


tischgespraech.de: Wirklich spannend. Gibt es schon Kooperationen mit Einkaufsverbänden und Handelsmessen – die sollten doch interessiert sein, diese Themen auf ihren Veranstaltungen zu kommunizieren?

Frank Rehme: Die kommen Stück für Stück. Unter seinem aktuellen Namen gibt es das Mittelstand-Digital Zentrum Handel seit August 2023 und das braucht ein bisschen Zeit, bis das überall durchgedrungen ist. Stück für Stück kommen jetzt auch die Verbundgruppen.


Ganz wichtig ist aber, dass jetzt endlich einmal die Händlerinnenanfangen zu experimentieren und auszuprobieren. Ganz im Sinne von „Machen ist wie wollen, nur krasser“. Händlerinnen sollen „ins Laufen“ kommen, und nicht mehr nur auf alle anderen schauen, die schuld sind. Sondern sich vielmehr an die eigene Nase packen und loslegen. Wo ist der Spirit geblieben, immer wieder neues auszuprobieren? Wir fallen noch zu oft einfach um und bleiben liegen.

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