- HINTERGRUND -
Die letzten Monate haben Thomas Grimme in seiner strategischen Entscheidung bestärkt: Die eigene Online-Marke muss weiter ausgebaut und der stationäre Ableger, der eigentlich die Keimzelle des Geschäftes war, zur Stärkung dieser Marke beitragen. Dabei ist er nach wie vor davon überzeugt, dass ein auf Beziehungen ausgerichteter Fachhandel auch online möglich ist.
Nach siebenjähriger Laufzeit des Onlineshops www.bleywaren.de und ebenso vielen Jahren des Sammelns von Erfahrungen im E-Commerce setzt Thomas Grimme aktuell seinen Shop neu auf. Ein größeres Sortiment soll dort demnächst zu finden und bei den Prozessen Vieles einfacher sein, vor allem das Anlegen von neuen Produkten über einen weiter automatisierten Datenimport. Denn gerade bei den Daten sieht Thomas Grimme, bei allen Weiterentwicklungen auf Herstellerseite und den umfangreichen Aktivitäten beispielsweise der EK, nach wie vor den Flaschenhals beim E-Commerce für den Handel. „Hier bleibt dem einzelnen Händler immer noch zu viel individuelle Arbeit übrig“, bekräftigt Thomas Grimme und fordert mehr Tempo bei den Daten in der Branche. Neben dem neuen Shop hat er mit einem eigens dafür eingestellten Softwareentwickler auch ein eigenes Data Warehouse aufgebaut, um von den Produkt- bis zu den Kundendaten alles zentral abgelegt zu wissen. Dem Schritt der Auswertung mit Hilfe von KI ist er damit auch deutlich näher gerückt.
Dass sich der Online-Anteil in den Zeiten der Pandemie deutlich erhöht hat, ist bei einem lange Wochen geschlossenen Geschäft nicht weiter verwunderlich. Die Entwicklung zeigt aber auch die unterschiedlichen Potenziale der beiden Vertriebskanäle deutlich auf, die tendenziell auch schon vor den Lockdowns und Einschränkungen des stationären Geschäftes zu spüren waren: „Wir begrüßen täglich neue Kunden in unserem Onlineshop“, berichtet Grimme, „und selbst bei einem geöffneten Geschäft ist die Gewinnung von neuen Kunden und Zielgruppen im stationären Bereich deutlich begrenzt.“
Hat der Online-Vertriebsweg in den Anfangsjahren von den Erfahrungen auf jeden Fall in Sachen Sortiment und Produkte von den Erfahrungen des Traditionshauses Bley in Cloppenburg gelernt und profitiert, so hat sich das Bild inzwischen gewandelt: „Neue Sortimente testen wir inzwischen eher online und integrieren diese bei Erfolg ins Sortiment des Geschäftes“, so Grimme.
Vermehrte Konkurrenz im Netz
Festgestellt hat Thomas Grimme in den Zeiten der Pandemie eine verstärkte Konkurrenz im Netz. Viele Fachhändler verstärkten die Aktivitäten mit eigenen Shops, auf regionalen, nationalen oder internationalen Marktplätzen und vergrößern das Angebot über die großen Spieler im Netz hinaus. Zu spüren ist das für Thomas Grimme insbesondere auch bei den Preisen, die dadurch stärker unter Druck geraten: „Natürlich machen wir auch bei besonderen Angeboten mit, aber es ist extrem wichtig, die Waage im lukrativen Bereich zu halten, denn die Kosten für Werbung und Logistik darf man nicht vernachlässigen.“
Wettbewerb liefern aber auch die vermehrt auftretenden Onlineshops von Herstellern, mit denen diese sich direkt an Konsumentinnen und Konsumenten – D2C – wenden und dabei ihr komplettes Sortiment im Shop abbilden. Dieser Entwicklung kann er, abgesehen von dem breiten Angebot, das er als Händler nicht liefern kann, durchaus aber auch Aspekte abgewinnen, die sich vielleicht sogar positiv auswirken: „Zum einen halten sich die Hersteller, außer bei Angeboten, an die Preise und sorgen damit für Beruhigung, zum anderen lernen Sie die Notwendigkeiten umfassender Daten für den E-Commerce kennen und verbessern ihr Angebot auch für uns Händler“, so Grimme.
Fachhandel online
Das Mittel, sich von den anderen Anbietern abzuheben, hat sich für Thomas Grimme auch in der Pandemie nicht geändert: Aus seiner Sicht sind die Fachhandelstugenden, ins Netz übertragen, das Mittel der Wahl: ein spannendes Sortiment – auch gegen das Ein-Marken-Angebot der Hersteller –, eine fachkundige Beratung, eine hohe Zuverlässigkeit und eine persönliche Beziehung zu den Einkaufenden. „Natürlich müssen diese Faktoren netz- und zielgruppengerecht umgesetzt werden“, unterstreicht Grimme, „und das bedeutet viel Arbeit und Know how.“
Für den Mehrkanalhändler ist es deshalb selbstverständlich, Zahlungsabwicklung, Retourenabwicklung, Logistik etc. reibungslos und prompt, im Sinne der Online-Einkäuferinnen und -Einkäufer, abzuwickeln. Mosaiksteine wie ein neu angeschaffter Kartonshredder, der gebrauchte Kartonagen zu Füllmaterial verarbeitet (Grimme: „Solche Maßnahmen werden honoriert und verbessern die Rezensionen.“) gehören zum stimmigen Gesamtkonzept einfach dazu.
Persönliches wird, nach wie vor, durch dem Paket beigefügte handgeschriebene Grüße oder einem Willkommensgeschenk für Neukunden erreicht. „Dadurch lässt sich insbesondere zu großen Anbietern oder Herstellern der Unterschied darstellen“, so Grimme. Oberste Priorität hat für ihn dabei, aus den Kaufenden Stammkunden und die eigene Online-Marke nachhaltig bekannt zu machen. Deshalb sind Beteiligungen an Marktplätzen oder Portalen für ihn auch keine Option. Die Maßnahmen sollen so intensiv wie möglich auf die eigene Online-Marke einzahlen.
Stationär als Experimentierfeld
Ausgezahlt haben sich die Online-Aktivitäten auch für das stationäre Geschäft von Thomas Grimme. Stammkunden konnten direkt im Onlineshop weiter einkaufen, Bestellungen auch im Rahmen von Click & Collect wurden über den Shop abgewickelt. Und für das Click & Meet haben die Cloppenburger sogar eine eigene Online-Plattform entwickelt, die unter www.click-meet-shop.de allen Händlern für die Terminkoordination inklusive Einhaltung festgelegter Personenzahlen offen steht. In dieser Woche startet das Traditionshaus Bley zusätzlich mit einer Videoberatung, bei der die Verkäuferinnen und Verkäufer individuell beraten und die Produkte dabei unmittelbar vorführen. Thomas Grimme sieht solche, durch die Pandemie forcierten Aktivitäten als Investition in die Zukunft: „Online und offline werden immer enger verzahnt werden müssen“, ist für ihn die Konsequenz aus den Erwartungen der Kundinnen und Kunden. Und das Potenzial zum weiteren Wachstum, das liegt für ihn im Netz.
Ganz ohne stationäre Aktivitäten wird seiner Meinung nach aber auch ein Online-Händler nicht auskommen, denn „Menschen sind gern unter Menschen“ und werden, wenn die Geschäfte wieder geöffnet sind, wieder in die Städte zum Einkaufen fahren. Deshalb gehört für Thomas Grimme ein stationärer Fachhandel dazu, zu den Städten wie zu den Wegen, über die Waren vertrieben werden. Vielleicht sehen diese Geschäfte aber dann ein wenig anders aus als heute: „Ich kann mir temporäre Maßnahmen auch in anderen Städten gut vorstellen, bei denen das Sortiment und die Beratungsqualität gezeigt werden, um den eigenen Onlineshop bekannter zu machen“, lautet Grimmes Blick in die Zukunft. Dass die unterschiedlichen Formen, die Welten zu verzahnen, spannend sind und bleiben, steht für ihn außer Frage.