- HINTERGRUND -
Hochwertige Accessoires fürs Kochen und die Zubereitung von Speisen haben in der Coronazeit einen großen Aufschwung erhalten, heißt es immer wieder. Aber wie ergeht es einem Fachgeschäft, das sich genau auf dieses Segment spezialisiert und die Beratung zum Nukleus seiner Kundenansprache und -bindung gemacht hat: eine Situationsbeschreibung im Gespräch mit Gertrud Kraft, Inhaberin des Fachgeschäftes Küchenmeister in Darmstadt.
tischgespraech.de: Gerade ist das zweite Ostergeschäft in Folge ausgefallen, gelingt es, durch die Kombination von staatlicher Unterstützung, Click & Meet bzw. Click & Collect durch diese Zeiten zu kommen?
Gertrud Kraft: Es gelingt mehr schlecht als recht. Anders als im letzten Frühjahr, in dem die Soforthilfe schnell bei uns ankam, haben wir für die Zeit ab Mitte Dezember bislang noch keinerlei staatliche Unterstützung erhalten, obwohl der Verlust eines halben Weihnachtsgeschäftes für uns einen massiven Einbruch bedeutet hat. Dass bislang keine Hilfen kommen, liegt hauptsächlich am Antragsverfahren, das über die Steuerberatungen laufen muss, die aber, zumindest bei uns, völlig überlastet sind. Also ist uns nichts anderes übrig geblieben, als Kreditlinien bei der KfW zu erhöhen. Zusammen mit einer freiwillig vom Vermieter abgesenkten Miete kommen wir so durch diese Phase. Meines Erachtens wäre es ein politisch guter Ansatz gewesen, auch die Vermieter stärker mit ins Boot der Betroffenen zu holen und Mietreduzierungen vorzuschreiben, da die Belastung derzeit allein auf den Handel und die Gastronomie abgewälzt wird. Ich gehe davon aus, dass dies zur Folge hat, dass zahlreiche Geschäfte demnächst, wenn sie wieder dürften, nicht mehr öffnen werden.
tischgespraech.de: Und sind Maßnahmen wie Click & Meet oder Click & Collect denn hilfreich?
Gertrud Kraft: Click & Collect haben wir während alles Schließungsphasen umgesetzt und beispielsweise auch mit einer kostenfreien Lieferung der bestellten Ware im Stadtgebiet unterstützt. Das wurde von unseren Kundinnen und Kunden gut angenommen aber bringt uns letztendlich nur weniger als ein Drittel des gewohnten Umsatzes. Dazu kommt ein hoher Aufwand, der dafür betrieben werden muss, so dass zwei Mitarbeiterinnen in Vollzeit mit der Abwicklung beschäftigt sind. Anders ist es bei Click & Meet: Unsere Geschäftsgröße erlaubt es, fünf Kunden gleichzeitig zu beraten und wir haben festgestellt, dass dann auch wieder gut – vielleicht sogar ein wenig mehr als vorher – gekauft wird. Das hat sich fast wieder ein wenig normal angefühlt. Allerdings dauerte die Phase in Hessen genau drei Wochen, in der wir diese Form des Verkaufens umsetzen durften. Jetzt sind wir wieder bei Click & Collect. Und das ohne jegliche Perspektive, wann es wieder anders werden soll.
tischgespraech.de: Wie hat sich das Verhältnis des Umsatzes von stationärem Geschäft und E-Commerce verändert – haben Sie über E-Commerce neue Kunden und neue Zielgruppen erreicht?
Gertrud Kraft: Da es zeitweise so gut wie keine andere Möglichkeit gab, Umsatz zu machen, hat sich selbstverständlich eine Verschiebung in Richtung Onlinegeschäft ergeben. Wir haben im Zuge der Geschäftsschließungen das Sortiment in unserem Onlineshop, mit dem wir bereits seit über zehn Jahren aktiv sind, ausgeweitet und insgesamt den Umsatz hier deutlich erhöht. Bleiben aber, wie auch mit den bereits angesprochenen Maßnahmen weit hinter dem vorher gewohnten Gesamtumsatz zurück. Wir konnten aber feststellen, dass über den Onlineshop auch neue Kunden kamen, dies aber insbesondere bei Angeboten oder speziellen Sortimentsbündelungen. Hier zeigt sich, dass online der Preis stärker eine Rolle spielt als stationär.
Hilfreich ist für uns beispielsweise auch die Präsenz im digitalen Stadtportal von Darmstadt. Als „digitale Stadt“ unterstützt die Kommune hier den Handel, so hier unser Angebot gefunden und – übrigens seit einigen Jahren bereits – auch ein virtueller Rundgang durch unser Geschäft gemacht werden kann.
tischgespraech.de: Spüren Sie eine Tendenz bestehender Kundinnen und Kunden, Ihr Haus durch gezielte Online-Einkäufe zu unterstützen?
Gertrud Kraft: Eindeutig, und das ist mehr als eine Tendenz, es ist eine Tatsache und hilft uns. Darunter sind viele Stammkunden, aber auch Kundinnen und Kunden, von denen wir es so zunächst nicht erwartet hätten. Das Spektrum der Einkäufe reicht dabei von kleinen Accessoires fürs Backen oder Kochen bis hin zu großen Küchenmaschinen. Das liefert uns eine gute Basis, trotzdem bleibt dies alles weit von den einmal gewohnten 40 bis 50 Kundinnen und Kunden pro Wochentag oder den 150 an einem Wochenende zurück.
tischgespraech.de: Ihr Konzept war stark auf den Faktor Beratung ausgerichtet. Wie haben Sie diese in den letzten Monaten aufrecht erhalten und haben sich daraus Maßnahmen entwickelt, die auch zukünftig Bestandteil des Service sein werden?
Gertrud Kraft: Wir nutzen hier viele Möglichkeiten, die uns die Technik bietet wie die Klassiker Telefon und Mail, aber auch Whatsapp und kleine Videos, die wir über Facebook und Instagram verbreiten. Insgesamt funktioniert das gut, wenn man aktiv und flexibel ist und auch auf Anfragen antwortet, die am Abend per Whatsapp einlaufen, wenn Kundinnen und Kunden zu Hause auf der Couch shoppen und sich informieren. Diese Dinge werden sicher auch in Zukunft beibehalten werden und sich immer mehr etablieren, wenn die Geschäfte aber wieder öffnen dürfen, wird sich die Beratung und der Einkauf auch wieder dorthin verlagern.
tischgespraech.de: Zum Angebot gehören auch regelmäßige Vorführungen und Messerschleifkurse. Wurden diese digitalisiert bzw. sind auf Dauer digitale Varianten denkbar?
Gertrud Kraft: Damit sprechen Sie ein für uns ganz trauriges Kapitel an, denn eine wirkliche Alternative auf der digitalen Ebene ist gerade für die Messerschleifkurse, die bei uns fester Bestandteil des Angebotes sind, nicht gegeben. Wie will man letztendlich beispielsweise das richtige Handling eines Schleifsteins und das Ergebnis überprüfen, wenn man nicht direkt dabei ist. Zudem ist das gemeinschaftliche Erleben bei diesen Kursen ein wichtiger Bestandteil. Sicher gibt es Anleitungen per Video, die auch wir, wie angesprochen, online stellen. Dabei, das am Rande, merken wir, dass die Kanäle Facebook aber noch mehr Instagram für uns Händler immer wichtiger werden. Aber einen wirklichen Ersatz können diese digitalen Versionen nicht liefern. Deshalb hoffen wir, dass wir bald nicht mehr die nach wie vor ausgebuchten Kurse absagen müssen, sondern endlich wieder durchführen können.
tischgespraech.de: Welche Rolle wird in Zukunft aus Ihrer Sicht der Faktor innerstädtischer Standort für Ihr Geschäft noch haben, nachdem die Kundenbindung ohne geöffnetes Geschäft jetzt zwangsläufig geübt werden musste?
Gertrud Kraft: Das Bild der Innenstädte wird und muss sich ohnehin ändern, wenn man sich allein die Leerstände der Ladenlokale ansieht. Aber ich habe um die Innenstädte keine Angst, zumal nicht hier in Darmstadt. Die Menschen werden, wenn sie dürfen wieder in die Geschäfte und Innenstadtbereiche kommen. Und das Einkaufen bleibt aus meiner Sicht noch lange der Faktor Nummer eins dabei. Wer hat denn auf Dauer Lust, neben Homeoffice und Homeschooling auch weiterhin ausschließlich Homeshopping zu betreiben? Gerade der individuelle Handel und dabei auch der Hausrathandel hat aus meiner Sicht Zukunft. Viele werden bei der verordneten Angewohnheit, selber zu kochen, bleiben und weiterhin die richtigen Werkzeuge und Accessoires dafür suchen – und das im Fachgeschäft. Die einheitlichen, um nicht zu sagen langweiligen Angebote in den Innenstädten und Shoppingcenter insgesamt sind da meines Erachtens deutlich gefährdeter.
tischgespraech.de: Wie lösen Sie ohne die Präsenzmessen den Einkauf bzw. auch eine eventuelle Sortimentsüberarbeitung und die Aufnahme von neuen Produkten und Marken?
Gertrud Kraft: Das ist, ehrlich gesagt, im Moment das geringste Problem. Die Lieferanten sind in der Regel über den Außendienst gut aufgestellt, bieten zum Beispiel Produktvideos und informieren uns Händler so über Neuheiten und Angebote. Die Messen nutzen wir persönlich insbesondere, um neue Marken und Lieferanten kennenzulernen. Aber auch hier müssen wir ehrlich sein: Für ein geschlossenes Geschäft benötigt man keine neuen, zusätzlichen Lieferanten.