- HINTERGRUND -
Kurzfristige Trends erreichten oft keine kritische Masse mehr. Für Entscheidungen werde die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, einem Tribe, wichtiger als Trends. Das ist die Einschätzung von Karin Frick. Die Forschungsleiterin des GDI Gottlieb Duttweiler Instituts macht dies nicht allein am Auftauchen des Begriffs in Publikationen fest, sie sieht auch die verbesserten Algorithmen als Grund.
Die These vom Ende der Trends hat Karin Frick in einem Beitrag in der Zeitung der Hochschule der Künste HKB Bern bereits formuliert. Der Text ist auch auf der Website des GDI zu finden. Wir haben noch einmal nachgefragt, was diese These auch für den Handel bedeutet.
Warum liegen Trends nicht mehr im Trend?
Karin Frick: Weil immer bessere Algorithmen unsere Wünsche in Echtzeit erkennen und jedem ein massgeschneidertes Angebot liefern können. Neue Bedürfnisse und Sehnsüchte können so direkt – ohne Umweg über Trends – erzeugt und erfüllt werden.
Gibt es denn langfristige Entwicklungen, die jenseits der als kurzfristig angesehenen Trends vorhanden sind und welche sehen Sie dort?
Karin Frick: Ja, der Klimawandel wird zum wichtigsten Treiber für gesellschaftliche Veränderungen werden. Er stellt Politik, Wirtschaft und auch jeden Einzelnen vor ganz neue Herausforderungen und zwingt uns die Art und Weise wie wir produzieren und konsumieren grundlegend zu ändern.
Woran orientiert sich die/der Einzelne jetzt, wenn sie/er sich vorher auf Trends als Wegweiser verlassen hat?
Karin Frick: Die einen versuchen sich an sich selbst zu orientieren. Doch unabhängig zu entscheiden, ist anstrengend und erfordert viel Zeit und Aufmerksamkeit. Wer für jeden Kaufentscheid tausende Optionen prüfen und vergleichen will, ist schnell einmal überfordert. Im Internet-Zeitalter ist es viel einfacher, sich am Social Media Stream von anderen Menschen zu orientieren und denen zu folgen, die einem ähnlich sind, die man mag oder bewundert.
Wenn es die Tribes sind, die Orientierung bieten, mit welchen Gefahren ist eine solche Entwicklung verbunden und läuft das nicht der steigenden Individualisierung zuwider?
Karin Frick: Menschen sind Herdentiere, sie wollen sich nicht nur unterscheiden, sondern auch zu einer Gruppe gehören. Im Unterschied zu früher kann man heute frei entscheiden, welchen Tribes man sich anschliessen mag und gleichzeitig mehreren verschiedenen Stämmen angehören. Individualisten zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen eigenen Tribe gründen.
In den Branchen Dining, Living und Giving spielen Trends immer eine große Rolle, nicht zuletzt dann, wenn ein (Fach-)Händler an die Sortimentszusammenstellung geht. Wie kann das bei einer Orientierung an bzw. Ausrichtung auf Tribes erfolgreich sein?
Karin Frick: Esskultur war immer schon ein Ausdruck von kollektiven Verhaltensweisen, Werten und Praktiken. Essen war immer sozial, alleine essen eher die Ausnahme und ungesund. Es ist wichtiger mit wem man isst, als aus welchen Tellern. Insofern waren und sind in der Dining-Branche Tribes immer schon wichtiger als Trends.
Wie wird Trendforschung in Zukunft aussehen und welche Daten liefert dann diese neue Zukunftsvorhersage auch im Hinblick auf Entwicklungsentscheidungen bei Herstellern und Handel?
Karin Frick: Die Datenanlaysen kommen in Zukunft öfter von Google, Facebook, Instagram und anderen Social Media Konzernen. Die Situation bei Herstellern und Handel ändert sich in Bezug auf Trends dadurch nicht. Die entscheidende Frage bleibt: selber machen oder nachmachen, Leader oder Follower.